LESERINNENBRIEFE
:

Beim Bummeln entfaltet sich Geist

■ betr.: „Bummeln ist auch keine Lösung“, taz.de vom 31. 7. 12

Meine Erfahrung: Beim Bummeln entfaltet sich der Geist, beim Pauken der Wiederkäuer. Es wäre daher schon viel geholfen, wenn den deutschen Pädagogen die Befugnis zur Einmischung in einen Lehrbetrieb entzogen und wieder den Lehrern erteilt werden würde. Mit Lehrer meine ich nicht dieses Gros an Vollzugsbeamten, welche Kinder abrichten, sondern jene, an die man sich auch noch nach Jahrzehnten als Erwachsener zurückerinnert und sie mit Namen als Beleg für die Behauptung anführt, dass Lehren möglich ist, welcher Unfug den Kultusministerialen und Schulbuchautoren auch immer einfallen möge. Wenn die Mehrzahl jener Lehrer, welche meine Kinder unterrichten, auch nur die geringste Ahnung hätten, dass der Vater da, in der Elternsprechstunde, den Lehrkörper von der Pike auf zwölf Jahre studiert hatte und, gäbe es darin eine Dissertation, diese sicher summa cum laude abschlösse, würden diese erkennen, dass ihr Gehabe, welches sie auch noch in fünf Minuten zu pressen haben, mehr über sie selbst erzählt, als ihnen lieb sein sollte.

BJÖRN ERIKSSON, taz.de

Gibt es alternative Bildungsformen

■ betr.: „Bummeln ist auch keine Lösung“, taz vom 1. 8. 12

Kommentare haben das Recht, im Ton etwas freier zu sein. Doch die Behauptung, dass Kritik am Turbo-Abi kitschig-verklärt sei und nur Professorentöchter etwas gegen Ganztagsschulen haben könnten, ist doch etwas verkürzt. Von einer linken Zeitung erwarte ich, dass sie sich neben Bildungsbürger-Bashing (auf das ich persönlich verzichten könnte) auch mal grundsätzliche Gedanken macht:

Ist das, was wir unter Bildung verstehen, so sinnvoll? Gibt es alternative Bildungsformen, wie sie zum Beispiel an Freien Schulen ausprobiert werden? Sind Lösungen denkbar, die zwischen Turbo und ganztags noch einen dritten Weg zeigen, einen, der auf Dauerdisziplinierung verzichtet? Ist nicht eine ganz andere Schulform wünschenswert, eine, die darauf verzichtet (schnell veraltende) Stoffmengen in die Kinder zu stopfen, und die dafür Raum lässt, sich das Lernen, Verstehen, Selberdenken anzueignen? FRANZISKA HOCHWALD, Stuttgart

Probleme mit Akademikerkindern

■ betr.: „Es spricht nichts gegen das G8“, taz vom 2. 8. 12

Wenn es um die Länge der Schulzeit geht, hat Bernd Kramer offensichtlich Probleme mit Akademikerkindern. Einerseits fürchtet er ein Zwei-Klassen-Abi, weil die guten Akademikerkinder das Abi in acht Jahren schaffen, der Rest braucht länger, andererseits schreibt er am Tag zuvor in seinem Kommentar, dass Akademikerkinder sehr an der Verlängerung der Schulzeit interessiert sind, weil sie dann Klavierunterricht nehmen und auch ihren sonstigen Hobbys besser nachgehen können.

Ja was denn nun? Das Problem löst er am besten, wenn er für Akademikerkinder einen 30-Stunden-Tag einführt. Sie können dann sowohl nach acht Jahren das Abi machen als auch Klavierunterricht nehmen. Der Rest schafft beides ohne den Langtag. KLAUS PRADEL, Köln

Netzwerk trennen

■ betr.: „Der wandelnde Kompromiss“, taz vom 3. 8. 12

Die Energiewende scheint nicht mehr umstritten zu sein, aber in der Entscheidung zentral oder dezentral liegt der eigentliche Konfliktstoff. Hier ist im Grunde kein Kompromiss möglich, denn eine dezentrale erneuerbare Energieversorgung macht die Energiekonzerne überflüssig. Doch diese werden von Umweltminister Altmaier weiterhin zum Schaden der Allgemeinheit protegiert. Kein Wirtschaftsbereich wie der von Atom und Kohle ist so stark und tief mit der Politik vernetzt. Dieses Netzwerk zu trennen, um der Sachlichkeit Vorrang geben zu können, bedarf es einer Sisyphusarbeit. Altmaier als „wandelnder Vermittlungsausschuss“ wird hier scheitern. ARTUR BORST, Tübingen

Schutzlose Eurozone

■ betr.: „Vor dem Rücktritt“, taz vom 1. 8. 12

Leider dürfte Ulrike Herrmann recht behalten, wenn sie den jetzigen Bundesbankchef auf verlorenem Posten beschreibt.

Die Mehrheit der Eurostaaten wird sich weiter verschulden. Gering oder nicht besteuerte Vermögenseinkünfte werden großen privaten Reichtum weiterwachsen lassen. Bei inflationärem Kursanstieg wird ein Teilverkauf von jetzt mit günstigem Eurokredit gekauften Aktien genügen, um die eingesetzten Kredite zurückzuzahlen. Die nicht verkauften Aktien erhöhen das private Vermögen. Wer da nicht mitmachen kann, wird ärmer.

Auf diese Weise wird die Eurozone nicht geschützt, sondern der Spekulation preisgegeben.

DIETRICH JAHN, Hannover