Birmas Junta verzichtet auf Asean-Vorsitz

Gesichtswahrender Verzicht ermöglicht Rangun, internationale Kritik abzuschwächen. Asean spart sich Zerreißprobe

BANGKOK taz ■ Das wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen international kritisierte Birma wird nun doch nicht 2006 den Vorsitz des südostasiatischen Staatenbundes 2006 übernehmen. Das erklärten gestern die Asean-Außenminister in der laotischen Hauptstadt Vientiane.

Als Sprecher der Asean-Ministerkonferenz oblag es dem laotischen Außenminister Somsavat Lengsavad, die mit euphemistischen Formulierungen gespickte Begründung für Birmas Verzicht zu verlesen: „2006 ist ein äußerst wichtiges Jahr für die nationale Aussöhnung und Demokratie, und die Regierung Myanmars (Birmas) möchte sich voll darauf konzentrieren“, hieß es. Stattdessen würden Mitte 2006 nun die Philippinen den Asean-Vorsitz übernehmen. Birma solle dann an die Reihe kommen, wenn das Land „bereit sei“.

Dieser Versuch der Konferenz, nach außen hin das Gesicht ihres umstrittenen Mitglieds zu bewahren, klingt für Kritiker der birmesischen Junta wie Hohn. Denn von nationaler Versöhnung ist das Militärregime in Rangun weit entfernt: Nach wie vor steht Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi unter Hausarrest, die demokratische Opposition und ethnische Minderheiten werden weiterhin brutal unterdrückt.

Internationale Beobachter begrüßten gestern den Verzicht nicht nur deswegen, weil ein Asean-Vorsitz Birmas die Reputation des Staatenbundes in Verruf gebracht hätte. Diese Entscheidung unterstreiche zudem, dass die Lage in Birma außerordentlich ernst sei, erklärte Teresa Kok vom Zwischenparlamentarischen Ausschuss der Asean (AIPMC), der sich für Demokratie in Birma einsetzt. Allerdings dürfe die Entscheidung nun keine Ausflucht für Asean sein, die dringende Notwendigkeit politischer Reformen in Birma zu ignorieren.

Überraschend kam Birmas Rückzieher nicht. Bereits im Vorfeld der am Montag begonnenen Außenministerkonferenz hatten Abgesandte der Junta angedeutet, nicht auf den Vorsitz insistieren zu wollen. „Damit würden wir Asean in eine schwierige Lage bringen, und das wollen wir nicht“, erklärte ein Vertreter Ranguns. Allerdings erfolgte dieser Verzicht nicht freiwillig: Beobachter mutmaßen vielmehr, dass Birma sich damit mittelfristig nur aus dem Kreuzfeuer der Kritik bringen will, nachdem es nun die internationale Debatte um seinen umstrittenen Vorsitz hinter sich gebracht hat.

Vor allem aus dem Westen hatte sich der Druck auf die Militärs in Rangun verschärft: Die EU und USA hatten angedroht, künftige Asean-Treffen zu boykottieren, falls Birma den Vorsitz übernehme. Auch US-Außenministerin Condoleezza Rice hatte kürzlich während ihrer Stippvisite in Thailand angemahnt, Asean solle Birma energischer zur Demokratisierung drängen.

Doch diese Forderung galt als heikel, weil sich Asean in seiner Politik gegenüber ihrem viel gescholtenen Mitglied alles andere als einig war. Während Indonesien, Malaysia und die Philippinen verstärkt Reformen anmahnten, zogen Laos, Kambodscha und Vietnam es vor, sich nicht „in die inneren Angelegenheiten“ Birmas einzumischen. Als besonders pikant gilt die Haltung Thailands: Kritiker werfen der thailändischen Regierung eine zu laxe Politik gegenüber der Junta sowie Premierminister Thaksin Shinwatra Interessenkonflikte vor. Denn dessen familieneigener Telekommunikationskonzern tätigt umfangreiche Geschäfte mit Rangun.

NICOLA GLASS