berliner szenen
: Wenn nicht auf dem Hof, wo dann?

Ich weiß, dass es knapp wird. 15 Minuten von Neukölln mit dem Rad nach Prenzlauer Berg, dann noch das Fahrrad abschließen, den Tanzkurs bezahlen, mich umziehen. Es ist fast unmöglich, trotzdem versuche ich es.

In der Adalbertstraße ärgere ich mich wie immer und schimpfe mit den Autofahrer*innen. Staus, rote Ampeln, ich komme zehn Minuten zu spät an, verschwitzt und gestresst. Und dann sagen sie mir, dass der Kurs schon angefangen hat und voll ist. Ich hatte mich angemeldet, aber es gab eine Warteliste, und mein Platz wurde vergeben. Ich versuche es weiter und sage, dass ich aus Neukölln komme, was auch stimmt, und dass ich ein Problem mit meinem Rad hatte – das stimmt nicht ganz. “Es tut mir leid, ich kann nichts machen.“ Das seien die Corona-Regeln, nur 20 Teilnehmer*innen dürfen im Studio mittanzen.

Ich gehe raus, ohne Tschüss zu sagen, und bereite mich schlecht gelaunt auf den Rückweg vor. Ich schaue nach oben. In der ersten Etage, wo der Kurs stattfindet, sind manche Fenster geöffnet. Man hört die Musik und ab und zu ganz leise die Stimme der Trainerin, die Anweisungen gibt. Ich sehe, wie Hände und Arme sich bewegen. Ich ziehe die Schuhe aus, lege meine Sachen ab und fange auf dem Tanzstudio-Hof an, mich dazu zu bewegen. Was ich nicht hören oder sehen kann, ergänze ich selbst. Menschen, die für spätere Tanzkurse angemeldet sind und ihre Fahrräder parken, schauen mich amüsiert oder irritiert an. Ich verstehe das nicht. Wenn ich nicht auf dem Hof einer Tanzschule tanzen darf, wo denn dann? Ich schaffe es, mich auf mich zu konzentrieren und sie zu ignorieren. Am Ende der Stunde kommen meine Tanz-Kommiliton*innen raus. Eine hat mich vom Fenster aus gesehen. Die Trainerin, meine Lieblingstrainerin, umarmt mich. “Darling, wo warst du?“ fragt sie. Luciana Ferrando