Hochschule wird wieder männlicher

Nach einer neuen Analyse geht die Studierneigung von Frauen neuerdings zurück. Als Ursache gelten die Debatte über Studiengebühren, die schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkt – und das größere Interesse an praxisnahen Tätigkeiten

VON ANNA LEHMANN

Erstmals seit 15 Jahren schwindet bei den deutschen Schulabgängern die Bereitschaft zu studieren. Vor allem Frauen entscheiden sich häufiger für den nichtakademischen Weg. Nach einer in dieser Woche veröffentlichten Studie des Hochschulinformationssystems (HIS) in Hannover wollte 2004 jede dritte Frau mit Hochschulzugangsberechtigung auf ein Studium verzichten. Zwei Jahre zuvor mochte dagegen nur ein Viertel der studienberechtigten Frauen der Hochschule fern bleiben. Bei den Männern, die damals gleichauf lagen, blieb die Studierwilligkeit unverändert hoch.

Das gesunkene Interesse der weiblichen Schulabgänger, ihre Studienoption einzulösen, hat vor allem finanzielle Ursachen. Jede dritte Schulabgängerin, die sich trotz Berechtigung gegen den akademischen Bildungsweg entscheidet, gibt an, möglichst bald Geld verdienen zu wollen. Jede fünfte nennt als Hinderungsgrund fehlende finanzielle Voraussetzungen oder die drohende Einführung von Studiengebühren. Von 13 auf 17 Prozent stieg der Anteil jener studierunwilligen Mädchen, die keine Bafög-Schulden machen wollten.

Für den Präsidenten des Deutschen Studentenwerkes, Achim Meyer auf der Heyde, sind die Ergebnisse nicht überraschend. „Sie korrespondieren mit den Resultaten unserer Sozialerhebung. Gerade in den neuen Bundesländern wollen Studentinnen schneller unabhängig werden und empfinden finanzielle Hürden als restriktiv.“ Nach der 17. Sozialerhebung des Studentenwerkes haben Frauen eine geringe Bereitschaft sich zu verschulden. „Das mag psychologische, aber auch ganz marktrationale Gründe haben und den schlechteren Aussichten auf dem Arbeitsmarkt geschuldet sein.“

Dabei sind die Mädchen in der Schulzeit den Jungen noch voraus. Daten des Statistischen Bundesamtes weisen aus, dass an den Gymnasien inzwischen ein leichter Frauenüberschuss (54 %) herrscht. Knapp 30 Prozent der weiblichen Schulabgänger verlassen die Schule mit der Hochschulzugangsberechtigung, während nur 21 Prozent der Knaben sich während der Schullaufbahn für die Uni qualifizieren. Bis 2002 stieg die Frauenquote auch an den Hochschulen kontinuierlich, bis zur Parität.

Im Bundesministerium für Bildung und Forschung wird der Rückgang der Frauenquote nun mit grimmiger Befriedigung registriert. „Wir haben stets vorausgesagt, dass allein die Debatte um Studiengebühren abschreckend wirkt“, sagt ein Sprecher.

Bei der Wirtschaft registriert man seit längerem besorgt die abnehmende Zahl der Absolventen natur- und ingeneurwissenschaftlicher Studiengänge. „Auch in den Unternehmen muss ein Umdenken stattfinden, damit mehr Frauen in die entsprechenden Führungspositionen gelangen“, meint die Hochschul- und Bildungsexpertin des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Silke Steinfeld. Frauen müssten diese Fächer und die damit verbundenen Berufsaussichten schmackhaft gemacht werden, um dem erwarteten Fachkräftemangel zu begegnen.

Die Urheber der Studie wollen den Rückgang weiblicher Studierfreude noch nicht als Trend werten. Ob dies eine chronische oder akute Flaute sei, müssten weiter Erhebungen zeigen meint Heike Spangenberg, eine der HIS-Autorinnen. Gleichwohl hätten frühere Befragungen ergeben, dass sich vor allem Frauen eine stärkere Praxisorientierung im Studium wünschten.

Dieser Wunsch könnte mit einem weiteren Hinderungsgrund korrelieren. Knapp die Hälfte der weiblichen Studienberechtigten wollten nicht an die Uni, weil sie eine praktische Tätigkeit interessanter fänden als ein theoretisches Studium.