Chill mal

Foto: Stefanie Loos/afp

Nein, es ist gar nicht so richtig das Berghain. Jedenfalls nicht der eigentliche Clubbereich. Die Klanginstallation „Eleven Songs“ des Künstlerduos tamtam alias Sam Auinger & Hannes Strobl ist in der „Halle am Berghain“ untergebracht, quasi parallel zur Haupttanzfläche. Echter als echt ist nur die Schlange vor dem Eingang, an einem Samstagnachmittag ist sie sogar länger als an einem Sonntagnachmittag im – kann man sagen? – richtigen Leben. Im richtigen Leben stünden allerdings junge Menschen in schwarzer Kleidung an und nicht in weite, bunte Leinenhosen gewandete Kunstbuchhändlerinnen und Herren mit Hut, als ginge es zur Ausstellungseröffnung in der Nationalgalerie.

Drinnen dann nur 40 Menschen – aus seu­chentech­ni­schen Gründen, aber auch aus solchen des Klangerlebnisses, das wirklich atemberaubend ist.

Aber wo sind die aneinandergequetschten, schwitzenden Leiber? Wo bleiben die dumpfen, stakkatohaften Bässe, die das Gebäude sonst bis in den letzten Ziegel der Außenmauer vibrieren lassen? Wo der Geruch nach Schweiß, Parfum und Zigarettenrauch, für den Menschen von überall in den vermutlich berühmtesten Club dieser Zeit pilgern?

Mit Atemmaske auf dem Betonboden liegend auf die alten Schüttvorrichtungen an der weit entfernten Hallendecke starren. Fieps. Fieps. Wummer. Das hat durchaus etwas Dystopisches. Wie oft wurde das Berghain schon als Tempel bezeichnet, als Kathedrale. Und nun: Requiem?

Das Leben, das im Berghain toben würde, tobt nun nachts in den städtischen Grünanlagen. Baumwipfel statt Säulen aus Beton. Es gibt nicht mal einen Türsteher, deshalb kommen manchmal zu viele. Und leider räumt niemand den Müll weg.

Kommt das richtige Leben irgendwann zurück? Martin Reichert