LESERINNENBRIEFE
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Leihmütter in großer Not

■ betr.: „Kind schwuler Väter anerkannt“, taz vom 2. 8. 12

Es ist gut, dass ein schwules Paar in Argentinien als Eltern eines Kindes anerkannt worden ist. Auch die Sehnsucht nach einem Kind stelle ich nicht in Frage, das ist ein grundsätzliches Bedürfnis.

Mir fehlt jedoch in eurem Artikel der Blick auf die Situation der indischen Leihmutter. Wie war die medizinische Versorgung dieser Frau vor, während und nach der Schwangerschaft? Was wäre mit ihrer eigenen Familie geschehen, wenn sie bei der Geburt des „Leihkindes“ gestorben wäre? Was passiert, wenn sie wegen Komplikationen keine eigenen Kinder mehr bekommen kann? Wird sie oder ihre Familie entschädigt? Wie ist das in Indien, Rumänien oder anderswo geregelt? Und wie ging es überhaupt ihrer Familie damit, dass sie ein Kind für andere Menschen austrägt und dieses Kind dann verschwindet?

In wie großer Not muss diese Frau leben, um ihren Körper zu vermieten? Hat sie nur ihren Bauch vermietet oder ist sie auch Eizellspenderin und damit mit dem von ihr geborenen Kind auch verwandt? Wie wollen die argentinischen Eltern in diesem Fall mit der Information über die genetische Identität, die für das Kind später sehr wichtig sein kann, umgehen? Ähnlich wie bei Adoptionen ist es bei mit Gametenspende gezeugten Kindern wichtig, dass sie die Möglichkeit haben, Informationen über ihre Herkunft zu erhalten. Dazu müssen Unterlagen mindestens 30 Jahre aufbewahrt und der Zugriff auf die sensiblen Daten muss geregelt sein. Ich bezweifle, dass das in diesem Fall möglich ist, da solche Regelungen auch in Deutschland erst im Entstehen sind. MICHELLE-D. LEMME, München

Ehrenamt ohne Karriereoption

■ betr.: „Da müssen Sie mitspielen …“, taz vom 4./5. 8. 12

Ich habe mich darüber gefreut, dass Sie das Thema Frauen in der Kommunalpolitik anschneiden. Leider werden in dem Artikel manche Klischees eher bedient statt ausgeräumt. Entgegen der landläufigen Meinung ist die Mitgliedschaft in einem Stadtrat kein Job, sondern ein Ehrenamt. Dem steht entgegen, dass die Aufgaben einer Stadtverordneten – zumindest in einer Großstadt – kaum noch neben einem Vollzeitjob geleistet werden können. Nach der Erwerbsarbeit beginnt praktisch an jedem Tag die zweite Schicht: Sitzungen, Gespräche mit BürgerInnen, Ortsbegehungen, das Durcharbeiten dicker Unterlagenstapel. Leisten können dies größtenteils nur Teilzeitbeschäftigte, Hausmänner und -frauen, Beamte, die sich für politische Termine von der Arbeit freistellen lassen können. Unterrepräsentiert dagegen sind berufstätige Frauen, die kleine Kinder oder ältere Angehörige betreuen, junge Leute in den ersten Berufsjahren und Erwerbstätige mit fordernden Jobs. Wer sich trotz dieser Rahmenbedingungen engagiert, muss weitgehend auf Freizeit und soziale Kontakte außerhalb der Politik verzichten.

Zwangsläufig stellt sich die Frage nach der Motivation. Nicht jedes kommunalpolitische Engagement bahnt den Weg in den Landes- oder Bundestag oder führt zu überregionaler Bekanntheit. Das eigene Lebensumfeld zu verändern oder eine andere Facette des Lebens kennenzulernen, ist häufig eher der Grund, sich zu engagieren. Motivierend wirken auch transparente Entscheidungsstrukturen und eine politische Kultur, die neue MitstreiterInnen wirklich willkommen heißt. Hinterzimmerpolitik und Altherrrenwitze in Debatten haben einen langen Bart und führen zu Politikverdrossenheit.

Leider wird nicht erwähnt, wofür Frau Maisch den Helene-Weber-Preis bekommen hat. Steht sie als Politikerin für spezielle Inhalte? Hat sie besondere Projekte angestoßen? Es wäre begrüßenswert, wenn die taz das Thema weiterverfolgen und über das Gros der zahlreichen Frauen berichten würde, die teils langjährig als ehrenamtlich Aktive gute Arbeit leisten – auch ohne Auszeichnung oder Karriereoptionen. BEATE BÄNSCH-BALTRUSCHAT, Bonn

Echte Recherche gefordert

■ betr.: „Nazibraut nicht mehr im Boot“, taz vom 4. 8. 12

Die Bezeichnung einer Frau als Nazibraut finde ich selbst dann völlig deplatziert, wenn die Faktenlage nicht so dürftig ist, wie es sich aus dem Artikel ergibt. Der Anhang „braut“ steht in der Tradition von Kampagnen, die Menschen einer Hetze preisgeben (Kommunistenbraut, Judenbraut). Das auf der ersten Seite der taz! Die Titulierung ist im Übrigen sexistisch, weil sie nur auf Frauen gemünzt ist, sie impliziert, dass die Frau nur ein Anhängsel des Mannes mit der jeweils kritisierten Gesinnung ist und es kein auf Männer bezogenes Pendant gibt. Und nur der Beziehungsstatus wird der Frau vorgeworfen. Kritikwürdig wäre es allein, wenn die Ruderin selbst neonazistische Aktivitäten entfaltete. An dieser Stelle wäre eine echte Recherche gefordert gewesen und nicht lediglich die Bezugnahme auf einen „langjährigen Rechtsextremismusexperten“, der nicht mehr weiß, als dass seit Jahren eine Beziehung besteht. MARTIN KÜHN, Bremen

Bescheidene Kompetenz

■ betr.: „Die Bundesbank sollte sich zurückhalten“, 2. 8. 12

Wenn die „Forschungsdirektorin Finanzmärkte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin“, Frau Dorothea Schäfer, eine Antwort im taz-Interview zur Rolle der EZB im Rahmen der aktuellen Finanzkrise mit den Worten „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass dies nicht funktioniert“ einleitet, sollte selbiges spätestens an dieser Stelle abgebrochen und durch einen Kommentar ersetzt werden, der auf die äußerst bescheidene Kompetenz der Vertreter/-innen der sogenannten Wirtschaftswissenschaften verweist. MICHAEL SEIZ, Mönchengladbach