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Gedanken in der Ruine

In der Franziskaner Klosterkirche in Berlin-Mitte wird seit einigen Jahren zeitgenössische Kunst gezeigt. Aktuell ertönt die Soundinstallation von Johanna Hedva, in der eine Stimme sagt: „Beauty is the motor of the world“

Von Lorina Speder

Es ist heiß, die Sonne brennt, und nur wenige Schatten markieren den Boden der Ruine der Franziskaner Klosterkirche in Berlin-Mitte. Die hohen Mauern des gotischen Baus zeichnen den löchrigen Grundriss einer Basilika nach und erstrecken sich in den Himmel. Das fehlende Dach, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, gibt den Blick in den Himmel frei. Hier ziehen wenige Wolken vorbei, die beim Verfolgen wieder hinter den Überresten der geometrischen Formen der gotischen Maßwerkfenster auftauchen.

In den 750 Jahren, die es den Ort gibt, hat sich die Umgebung radikal verändert. Die Gebäude des Alexanderplatzes, die man aus der Ruine erkennt, sind modern, und der Lärm von der anliegenden Grunerstraße wird zu einem ständigen Hintergrundrauschen. Der mächtige Fernsehturm im Nordwesten erscheint zusammen mit den Ruinenbacksteinen wie von einer anderen Welt. Auch die mit Sektflaschen gefüllten Mülltonnen und die abgesperrte Partytoilette in der Ruine brechen mit der mittelalterlichen Atmosphäre des Ortes und schreien nach neumodischem Exzess.

Die Partyreste könnten in Verbindung zu der Kunst in der Ruine stehen. Seit 2016 wird im ehemaligen Kirchenbau zeitgenössische Kunst gezeigt. Für das kulturelle Programm ist der Fachbereich Kunst, Kultur und Geschichte des Bezirksamts Berlin-Mitte zuständig. Neben Ausstellungen werden auch Führungen angeboten, in denen man mehr über die Nutzungsgeschichte des Orts erfahren kann. So lebten dort im 13. Jahrhundert noch die Mönche des Bettelordens der Franziskaner. Nach der Reformation und der damit einhergehenden protestantischen Mehrheit in Cölln-Berlin löste sich der Franziskanerkonvent jedoch auf, und der letzte Mönch im Kloster verstarb 1571. Anschließend wurde das Klostergelände als Druckerei genutzt oder als erstes Berliner Gymnasium, auf das Stadtgrößen wie Karl Friedrich Schinkel oder Otto von Bismarck gegangen sind. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurden einige Außenmauern abgetragen und große Teile der Klosteranlage abgerissen. Ohne Räume, die man zweckhaft nutzen konnte, wurde die Ruine ein historischer Ort, dem nun durch wechselnde Kunst immer wieder neue Perspektiven gegeben werden.

Am Eingang liegt ein Ausstellungstext über die Soundinstallation von Johanna Hedva, die aktuell durch drei Lautsprecher aus dem Chor der Kirchenruine tönt. Beim Hören von trister Klaviermusik mit schweren Akkorden oder flatternden Noise-Geräuschen liest man, dass die Sounds, Musik und Sprache dazu da seien, den Kapitalismus und eine Abwesenheit, das Nichts, zu hinterfragen. Diese Art von Hinterfragen kommt dem Ort an sich sehr nahe. Denn auch ohne die Soundarbeit wird die Ruine zum Relikt einer anderen Zeit, in der Religion, das Konzept eines Gottes und die wirtschaftliche Produktion anders gewertet wurden. Dass es sich um ein zeitweise protestantisches Gebäude handelt, stellt zwar nicht den Kapitalismus, aber ein mit Geld und Macht verbundenes, ausschweifendes Leben infrage.

Stellt man diese Fragen heute, inmitten der Pandemie, treten der Ruinenort und das gezeigte Kunstwerk immer mehr in den Hintergrund, denn die aktuelle Situation hinterfragt unser Wirtschaftssystem und das Nichts viel dringender. Seit diesem März nagt Unsicherheit an uns. Nachdem moderne Glaubenssätze in Form von Plänen oder dem Funktionieren des Wirtschaftssystems von einem auf den anderen Tag ausgeschaltet wurden, standen viele vor einem leeren Lebenskonzept.

Als Ausgehverbote und Kontaktsperren herrschten, hörte man immer wieder, dass Musik und Kultur die Zeit erträglich gemacht hätten. Auch die Soundkunst von Hedva füllt den leeren Raum der Ruine mit vorgetragenen Ideen, Melodien und Tönen, die durch die drei unaufgeregt und protestantisch schlicht aufgestellten Soundboxen tönen. Beim Blick auf den Fernsehturm hallt die Stimme einer gesprochenen Arbeit aus den Boxen und sagt: „Beauty is the motor of the world“. Doch war es wirklich die Schönheit, die uns von der prächtigen Gotik in das Zeitalter von Glas- und Stahltempeln gebracht hat? Heute ist es schwer, in moderner Architektur das Schöne zu erkennen, so dominant strahlt sie Macht und Machtgefälle aus. Dieses Gefühl breitet sich auch beim Umhergehen in der Klosterruine aus. Der Kapitalismus und die drohende innere Leere sind nicht weit entfernt. Auf der anderen Seite der Grunerstraße kann man in den nüchternen Rathaus-Passagen shoppen.

„God Is an Asphyxiating Black Sauce“, Klosterruine Berlin, bis 3. August.

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