Über „Bild“-Leser darf man lachen

WERBUNG Der Springer-Verlag ließ 2005 einen taz-Kinospot verbieten, weil darin die „Bild“-Zeitung verächtlich gemacht werde. Bald wird er wieder zu sehen sein. Die taz gewann vor dem Bundesgerichtshof

KARLSRUHE taz | Die taz darf ihren Kinowerbespot „Kiosk I und II“ wieder zeigen. Das entschied gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Der Springer-Verlag hatte den Spot 2005 kurz nach dem Start per einstweiliger Verfügung stoppen lassen, weil darin die Bild-Zeitung verächtlich gemacht werde. Jetzt muss Springer die Verfahrenskosten zahlen.

„Kalle, gib mal Zeitung!“, sagt ein bierbäuchiger Typ in Jogginghose und Unterhemd. – „Is’ aus“, entgegnet der Kioskbesitzer und gibt ihm stattdessen eine taz. Der Kunde wirft einen Blick hinein und schaut entsetzt. Erst dann bekommt er seine Bild-Zeitung. Gefoppt – alle am Kiosk lachen. Am nächsten Tag kommt der Bullige wieder: „Kalle, gib mal taz!“ Jetzt schaut der Kioskbesitzer entgeistert, bis der Kunde losprustet vor Lachen. Zurückgefoppt. Nun erscheint der Schriftzug: „taz ist nicht für jeden. Das ist O. K. so.“

Diesen Spot hat das Oberlandesgericht Hamburg 2007 verboten. Das Gericht berief sich auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Danach ist vergleichende Werbung nicht erlaubt, wenn sie „herabsetzend“ wirkt. Im taz-Spot würden Bild-Leser als „dumm und begriffsstutzig“ dargestellt, sie seien nicht in der Lage, die anspruchsvolle taz zu verstehen, so die Hamburger Richter.

Sie räumten zwar ein, dass der Spot „witzig“ und „künstlerisch anspruchsvoll“ sei, außerdem weise er einen „nicht unerheblichen Wahrheitskern“ auf – dennoch hielten sie ihn für „unangemessen“.

Gegen diese Entscheidung ging die taz in Revision zum Bundesgerichtshof und berief sich auf die Meinungs- und Kunstfreiheit. „Die Aussage: ‚taz ist nicht für jeden‘, ist doch nicht herabsetzend“, betonte Anwältin Cornelie von Gierke. Die Personen an der Trinkhalle seien auch „nicht unsympathisch“ dargestellt.

Bild-Anwalt Thomas von Plehwe sah das ganz anders. Der Spot sei „menschenverachtend, eine gezielte Herabwürdigung der Bild-Leser“. Die Darstellung von Menschen, die „kaum des Lesens mächtig“ seien, ziele auf deren Menschenwürde ab.

Den BGH hat diese Argumentation nicht überzeugt. Nach Ansicht der Karlsruher Richter will die taz nur sagen, dass sie eben nichts für den Massengeschmack sei. Unzulässig wäre eine vergleichende Werbung nur, wenn sie die Konkurrenz „dem Spott und der Lächerlichkeit“ preisgebe. Das sei beim taz-Spot aber nicht der Fall. Ein Durchschnittsverbraucher sei heute an „humorvolle und pointierte“ Aussagen in der Werbung gewöhnt. (Az.: 1 ZR 134/07)

CHRISTIAN RATH