Zwei Volksparteien und ein Sozialpfarrer

taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Portrait. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Herne und etwas Bochum

Herne?

Der Wahlkreis 142. Herne und ein Teil Bochum. Klingt nicht gut. Vor allem wenn man näher hinschaut: Die beiden zwangseingemeindeten Ex-Städte Wattenscheid (Bochum) und Wanne-Eickel (Herne) gehören dazu. Auch sonst zeigt sich der zusammengezwungene Wahlkreis an der Emscher eher strukturschwach. Vor allem Herne selbst: 170.000 Menschen leben dort. Pro Quadratkilometer 3.377. Dichter ist es nirgendwo. Fast jeder Fünfte ist arbeitslos: 18,4 Prozent. Attraktionen sind rar: Archäologiemuseum und Cranger Kirmes. Die Stadt wirbt mit dem Spruch „sportlich und interessiert“. Die Fußballer von Westfalia spielen in der viertklassigen Oberliga. So viel dazu. Kommunal, im Land und bundesweit wird hier seit Jahrzehnten rot gewählt.

Wer verteidigt den Wahlkreis?

Gerd Bollmann (48). Der Sozialdemokrat aus Wanne-Eickel zog 2002 erstmals in den Bundestag ein. 61,5 Prozent. Willy Brandt brachte den Technischen Zeichner, Maschinenbauingenieur und Berufsschullehrer (respekt!) zur SPD. „Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden“ und „mehr Demokratie wagen“ waren die Slogans. In Berlin sitzt er im Umweltausschuss, Reaktorsicherheit und so, verteidigt dort die Agenda 2010 und will der strukturschwachen Emscher-Lippe-Region wieder auf die Beine helfen.

Wer will in den Wahlkreis?

Ingrid Fischbach (CDU). 48 Jahre, auch aus Wanne oder Eickel. Sitzt seit 1998 im Bundestag und braucht den Wahlkreis eigentlich gar nicht: Platz neun auf der Landesreserveliste ist eine Bank. Der Weg auf diesen guten Listenplatz ist allerdings umstritten. Fischbach sei nur der „Quotenersatz“ für die nebenverdienende Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Hildegard Müller, munkeln Kritiker. Müller scheiterte an der Dresdner Bank. Besser: an deren Geld. Nun erfüllt Fischbach die weibliche Drittelquote der CDU.

Die großen Außenseiter?

Sozialpfarrer Jürgen Klute. Die Herner Linkspartei wird den bibelfesten WASGler heute Abend für den Wahlkreis nominieren. Seine Worte der Woche: „Die Bäume gingen hin, um einen König über sich zu salben, und sprachen zum Ölbaum: Sei unser König!“ Hoffentlich sehen das die Wähler genauso. Auf der NRW-Kandidatenliste zur Bundestagswahl der WASG wurde Klute auf Platz vier gesetzt. Was diese Nominierung wirklich wert ist, wird der PDS-Landesparteitag am kommenden Samstag in Essen zeigen. Direkt wird‘s nix. Die beiden potenziellen Koalitionspartner der Volksparteien halten sich angenehm zurück. Die FDP wirbt mit dem Wechsel-Lexikon und die Grünen – warten erst mal ab: „Diskussion und Beschluss zu der Vereinbarung mit der SPD zur Zusammenarbeit in der Wahlperiode 2004 – 2009“, heißt es auf der Website. Letzte Aktualisierung: 31. Januar 2005.

Die taz-Prognose?

Bollmann darf nochmal ran, Fischbach auch. Klute könnte der Linkspartei gut tun.

HOLGER PAULER