Es war die Lerche

Der Ausbau des Lübecker Flughafens ist vorerst gescheitert – nicht zuletzt wegen des Schutzes der Grönauer Heide. Doch was kreucht und fleucht da eigentlich? Ein Blick in die bedrohte Tierwelt

von Daniel Wiese

Kaum hatte das Oberverwaltungsgericht Schleswig letzte Woche beschlossen, den Ausbau des Lübecker Flughafens zu stoppen, ging das Geschrei los. „Allgemeines Entsetzen“, titelte die Lübecker Onlinezeitung HL-Live und zitierte einen offenen Brief des Flughafen-Betriebsrats: „Sehr geehrter Herr Ministerpräsident“, heißt es da, „können wir es uns angesichts einer Arbeitslosenquote von ca. 19 Prozent in der Region leisten, auf der grünen Wiese zu leben?“

Die grüne Wiese ist das Naturschutzgebiet Grönauer Heide. Auf deren Gebiet soll der Flughafen zur Basis von Ryan Air Deutschland ausgebaut werden. Bereits vor Monaten hatte die Kranich-Debatte in Schleswig-Holstein für Unruhe gesorgt. Weil es einem Kranichpärchen nicht gelang, in der Nähe des Flughafens Lübeck Kinder zu zeugen, ging die Angst vor schärferen Auflagen um.

Dazu kam es nicht, allerdings reichten die Auflagen auch so: „Ein Ausgleich zwischen den Belangen des Vogelschutzes und den Verkehrsinteressen des Flughafenbetreibers“, rügten die Richter in Schleswig, sei „auch nicht ansatzweise ver- oder gesucht worden.“

Am Dienstag dieser Woche schlug der Kieler Wirtschaftsminister Dietrich Austermann zurück: „Landesregierung steht geschlossen hinter dem Ausbau des Flughafens Lübeck“, verkündete Austermann, als sei nichts gewesen. Die SPD-Landtagsfraktion assistierte: „Den Grünen sind Arbeitsplätze wurscht!“ Die Grünen hatten verlangt, das Verfahren neu aufzurollen.

Es sind keine guten Zeiten für die Freunde der Grönauer Heide, und von den Lebewesen, um die es letztlich geht, redet keiner mehr. Die Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria) zum Beispiel hat dort ihre letzten Brutplätze in ganz Schleswig-Holstein. „Das ist eine Art, die aus dem Osten kommt und dort bis Tschechien und Polen verbreitet ist“, sagt Ingo Ludwichowski, Diplom-Biologe und Geschäftsführer des Naturschutzbundes NABU in Schleswig-Holstein. Die Sperbergrasmücke wird 17 Zentimeter lang, die Form des Schwanzes erinnert an einen Habicht. Der Vogel gilt als scheu.

Auch der Neuntöter (Lanius collurio), der seinen Namen daher hat, dass er Mäuse auf Dornen spießt, lebt in der Grönauer Heide, direkt neben der Heidelerche (Lullula arborea). „Es ist die Lerche, die so heiser singt, / Und falsche Weisen, rauhen Misston gurgelt“, heißt es in „Romeo und Julia“. In Wirklichkeit ist die Lerche aber eine große Sängerin. Die Heidelerche beherrscht bis zu hundert Melodien, die sie aneinander reiht, wobei die Melodien gegen Ende leicht abfallen.

„Aufgrund der speziellen Ansprüche der Heidelerche an ihren Lebensraum ist die Zerstörung der letzten geeigneten Brutbiotope als Hauptgrund für die Gefährdung dieser Art anzusehen“, steht im Artenschutzhandbuch. „Innerhalb der letzten Jahrzehnte sind in besonderem Maße Heideflächen und magere Wiesen durch Intensivierung der Nutzung, Aufforstung oder Ausweisung als Bauland zerstört worden. Viele der Gebiete tragen heute noch die Bezeichnung ‚Heide‘ mit im Namen, ohne dass entsprechende Biotope vorhanden sind.“

Eine Heidelerche ohne Heide hat es schwer, doch außer Vögeln leben noch viele andere Tiere in der Grönauer Heide. So der zu den Schwanzlurchen gehörende Kamm-Molch (Triturus cristatus), der in der Deutschland auf der Roten Liste der gefährdeten Arten steht. In der Paarungszeit wächst ihm ein aggressiver Zackenkamm auf dem Rücken, wodurch er aussieht wie ein kleiner Drache.

„Der Flughafen „versucht die Viecher wegzukriegen“, vermutet NABU-Mann Ludwichowski. Gelungen ist das bisher noch nicht. Im Gegenteil: Das Kranichpaar mit den Nachwuchsproblemen hat diese inzwischen gelöst.