Tornado vor Sonnenuntergang

Mit kaum verhohlener Kriegsromantik wartet die Fotoausstellung „Luftbilder – Die Welt von oben“ auf, die das Altonaer Museum derzeit präsentiert

von Petra Schellen

Als Panorama der Verletzlichkeiten präsentiert sich eine kleine, unverbindlich „Luftbilder – Die Welt von oben“ betitelte Ausstellung im Altonaer Museum, die ganz so harmlos aber nicht ist: Fotos des in Schleswig angesiedelten Aufklärungsgeschwaders 51 „Immermann“ sind dort nämlich – organisiert vom Fabrik Fotoforum – zu sehen. Bilder, die – so die offizielle Werbung des Museums – eine besondere Ästhetik bergen.

In der Tat kann man sie so betrachten, die fast abstrakten Stadtansichten und den von nostalgischer Abendsonne beschienenen Venezianischen Canale Grande; den potenziellen Bomber-Piloten hat vermutlich kurz der Gedanke „schade, dass dies bald vernichtet sein wird“ gestreift: Mit unverhohlener Kriegsromantik wartet die Ausstellung bei näherem Hinsehen auf, was umso erstaunlicher ist, als das Altonaer Museum bislang keinerlei Militarismen frönte.

Und doch lagert verräterisch Selbstreferenzielles in diesen Aufnahmen, die Gebäude und Landschaften, niemals aber Menschen oder Tiere zeigen: Zu „Aufklärungszwecken“ wurden die Fotos während etlicher Übungsflüge in den vergangenen zehn Jahren gemacht – doch worauf sie zielen, offenbart die Perspektive schnell: Senkrecht von oben – wie unmittelbar vor der Bombardierung – wurde Hamburg da zum Beispiel fotografiert. „Tornado über Hamburg“ heißt ein anderes Bild; der Tornado ist schwarz und schwer erkennbar, die Stadt spielzeuggleiches Bauklotz-Modell, das man jederzeit umtreten kann. Als schon jetzt leblos geschossene Ruine präsentiert sich daneben das Schweriner Schloss.

Niemals wurde dabei vergessen, den städtebaulichen Kontext, sprich: freie Plätze und Zufahrtswege zu dokumentieren. Akkurat parzelliert sind etwa die Felder, die den Heidepark Soltau umgeben. Wie verspielte Insignien der Verletzlichkeit dieses Ortes wirken die verschlungenen Glieder der Achterbahn; der linker Hand platzierte Zaun könnte auch ein militärisches Sperrgebiet markieren. „In Sekundenschnelle die Objekte zu erkennen und zu identifizieren“ ist – dies erläutert ein Beiblatt – Aufgabe dieser Fotografen und Piloten. Kaum erstaunlich also, dass vorrangig markante Strukturen von Städten und Landschaften abgelichtet wurden – aber eben nicht zweckfrei: Freie (Lande-) Plätze und (Bevölkerungs-) Flucht- sowie (Militär-)Zufahrtswege werden fokussiert; auch die Frage, wieviel bei Hochwasser von Stadt und Landschaft übrig bleibt, untersuchen die Fotos: Das Koblenzer Deutsche Eck vor und nach der Überschwemmung hat das Geschwader abgelichtet, um zu eruieren, wie viel Wasser die Stadt erträgt, bevor sie ganz versinkt.

Doch abgesehen vom kaum verhohlenen Zweck dieser Blätter, über den die vordergründige Ästhetik nicht hinwegtäuscht, hat sich in die Wahrnehmung der Fotografen auch subtil Militärisches eingeschlichen: Wie der spitze Bug eines Tornados wurde der Park ums Potsdamer Schloss herum fotografiert; eine Form, die sich beim „Deutschen Eck“ wiederholt. Und die auf den französischen Mont St. Michel zulaufende Linie suggeriert ganz direkt eine startende Rakete.

Auch der Kontext, in den öffentliche Gebäude gestellt werden, bewegt sich deutlich jenseits des Zufalls: Wie wäre er zu schützen (oder zu treffen), der Speyrer Dom, fragt ein anderes Bild; wie dicht ist er von Wohnhäusern umzingelt, wo liegen Fabriken und Wälder? Wo birgt dieser Ort wunde Punkte?

Eine eigenartige Schau, die militaristische Fotos unter dem Vorwand der Ästhetik gesellschaftsfähig zu machen sucht und zudem einige recht eigenartige Motive präsentiert: das von der Elchjagd zum Beispiel, aufgenommen bei der Teilnahme der Luftwaffe an einer entsprechenden Übung in Alaska. Tornados stehen startbereit am Boden, die Opfer sind ahnungslos. „Aufgrund der hohen Geschwindigkeit des Tornados können die Elche das Flugzeug noch nicht hören“, sagt der Beitext lakonisch. Noch deutlichere Kriegsromantik atmet die Beschriftung des „Tornado im Anflug auf Schleswig-Jagel“: „Nur selten bekommen die fliegenden Besatzungen der Tornados einen solchen Ausblick geboten“, schwärmt der Text.

Vollends ins verkappte Heldentum kippt der Kommentar zum Foto des „Verpackten Reichstags“ von 1995: „Trotz der Schwierigkeiten, die das Fliegen im Militärjet in dem sehr engen Luftraum über Berlin bietet, entstand diese historisch wohl einmalige Aufnahme.“ Von den Kuratoren der Schau und des Altonaer Museums offensichtlich unkritisch hingenommene Sentenzen, die deutlichen Militarismus atmen. Aber warum wird dies als Kunst deklariert? Oder sind Fabrik Fotoforum und Altonaer Museum bereits im Begriff, sich dem umstrittenen Kriegsschiffs- und Waffensammler Peter Tamm anzudienen, der 2007 sein stark militaristisch geprägtes Museum in der Hafencity eröffnen will? Man möchte es fast vermuten.

Di–So 11–18 Uhr, Altonaer Museum; bis 28.8.