10.000 Bäume für Berlin

Jedes Jahr gibt es weniger Bäume in Berlins Straßen, nun sollen die Bürger wieder „aufforsten“

■ Wer die Kampagne unterstützen will, kann das auf verschiedene Weise tun: Neben Baum-Spenden werden noch Freiwillige gesucht, die bei der Verwaltung der neuen Baumkarte für Berlin helfen wollen. Darüber hinaus wird dazu aufgerufen, Pro-Baum-Initiativen zu gründen.

Im Netz:

www.baeume-fuer-berlin.de

Geht es darum, TouristInnen nach Berlin zu locken, setzen die Regierenden der Stadt auch gern mal auf die grüne Karte. Auf der Internetseite Berlin.de werben sie mit den Parks, Gärten und Wäldern Berlins. Christian Hönig steht diesem Stadt-Marketing kritisch gegenüber. „Der Schein trügt. Jährlich verschwinden 2.000 Bäume aus dem Stadtbild Berlins“, sagt der Initiator der BUND-Kampagne „10.000 Bäume für Berlin“. Ein Fakt, der diametral auseinandergehe mit dem grünen Image der Stadt. Zwar gebe es zurzeit berlinweit circa 450.000 Straßenbäume und eine nicht bekannte Zahl Parkbäume, dennoch dürfe das Problem nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Denn schließlich sei jeder Baum weniger ein großer Verlust.

Dem Baumschwund Einhalt zu gebieten, darin besteht die Aufgabe der Kampagne. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt sich „10.000 Bäume für Berlin“ für zwei Dinge ein: Zum einen fordert die Kampagne, dass jeder Baum, der in Berlin gefällt wird, durch einen neuen Baum ersetzt wird. Zum anderen verlangen Hönig und seine MitstreiterInnen, dass der aktuelle Bestand besser gepflegt wird. „Die Stadt muss besser umgehen mit ihren Bäumen, bevor es zu spät ist“, sagt Hönig, der selbst studierter Förster ist.

Das Engagement für eine große Baumlandschaft in der Stadt begründet sich für die Kampagne wie folgt: Einerseits seien Bäume ein gutes Mittel gegen den Klimawandel, den man ja politisch gerade in Berlin abzufedern versuche. Bäume würden Schatten spenden für Häuser und Straßen und die Luft befeuchten, wodurch die Stadt nachts schneller abkühlen könnte. Andererseits würde eine vom Land geförderte Aufforstung für mehr Umweltgerechtigkeit sorgen. Wenn die Pflanzung neuer Bäume hauptsächlich Privatpersonen überlassen werde, würde sich dies vor allem auf Regionen beschränken, wo das nötige Geld und die Zeit vorhanden sei. „Ärmere Bezirke hingegen würden immer mehr Bäume verlieren“, warnt Hönig.

Ins Leben gerufen wurde die Kampagne 2010. Zu diesem Zeitpunkt hatte der BUND bereits viele Jahre Spenden für den Kauf neuer Baumsprösslinge gesammelt. Die Kosten für die Pflanzung und die Pflege der jungen Bäume übernahmen, zumindest bis 2009, die Berliner Bezirke. Als dann aber einige Bezirke 1.000 Euro pro Baum verlangten, mit dem Argument, diese Leistungen nicht mehr zahlen zu können, stellte der BUND dort die Arbeit ein. Zeitgleich veröffentlichte die Organisation einen Baumreport, aus dem hervorging, dass in Berlin zwischen 2005 und 2009 10.000 Bäume aus dem Berliner Stadtbild verschwunden sind. Dieser Fakt, kombiniert mit den Defiziten in den Bezirkskassen für die Pflanzung neuer Bäume, veranlasste den BUND dazu, eine Kampagne zu starten, mit der er politisch gegen das Verschwinden der Bäume arbeiten wollte. „Wir haben seitdem viel Lärm gemacht“, berichtet Hönig.

Mit viel Lärm meint er politischen Druck. Diesen erzeugte die Kampagne wie folgt: Zunächst wurde mit dem Baumreport das Ausmaß des Berliner Baumschwunds nachgewiesen. Im Anschluss daran bündelte die Gruppe um Hönig die verschiedenen Initiativen, die sich mit dem Thema befassen, stellte große rote Fragezeichen aus Holz auf Baumstümpfen in der ganzen Stadt auf, mit denen AnwohnerInnen auf das Verschwinden der Bäume hingewiesen werden sollten, und richtete eine Karte ein, mit der sie die seit Jahren fehlenden Straßenbäume dokumentierte. Auch wurden regelmäßig 10.000 Blumenzwiebeln an die BerlinerInnen zum Selberpflanzen verteilt.

Das Resultat: Nach den Abgeordnetenhauswahlen im vergangenen Jahr nahm die frisch gewählte schwarz-rote Koalition die Forderung der Kampagne, 10.000 neue Bäume zu pflanzen auf und schrieb sie in den Koalitionsvertrag. „Ein großer Erfolg, aber nur der erste Schritt in die richtige Richtung“, sagt Hönig. Angespornt von diesem deutlichen Signal, kümmert sich die Kampagne nun vor allem darum, neue Initiativen zu fördern, um den Druck auf die Politik weiter aufrechtzuerhalten. Jungen Pro-Baum-Initiativen bietet die Kampagne eine Starthilfe an, zum Beispiel in Form von Know-how-Transfer.

Diese Nachwuchsförderung sei auch deshalb notwendig, weil die zweite Forderung der Gruppe nach einer besseren Pflege des Baumbestandes noch in der Luft hänge, berichtet Hönig. Diese sei nach wie vor mangelhaft, urteilt der Aktivist. Das Grünflächenamt habe weder genug Geld noch das nötige Personal, um dieser Aufgabe ausreichend nachkommen zu können. Bäume würden teilweise zu radikal gestutzt, kranke Bäume einfach gefällt, anstatt sie wieder aufzupäppeln. Auch sei nicht klar, was mit den 10.000 Bäumen geschehen soll, welche die Stadt in den kommenden Jahren pflanzen will. Ist genug Geld da, um sich über die dreijährige Anwuchspflege hinaus um die Bäume zu kümmern? „Die Politik muss sich hier noch deutlicher positionieren. Das Grün der Stadt trägt zur Lebensqualität bei“, sagt Hönig.

LUKAS DUBRO