Der Strippenzieher im Netz der Justiz

Klaus Landowsky, einst CDU-Fraktions- und Berlin-Hyp-Chef, in seiner letzten Hauptrolle: Als Anklagebankchef im größten Prozess um den Bankskandal steht er ab morgen vor Gericht. Es geht um umstrittene Kredite für die Immobilienfirma Aubis

von RICHARD ROTHER

„Die Berliner Unternehmensgruppe Aubis hat das erste Drittel von rund 90 Millionen DM für den Kauf von 3.000 kommunalen Cottbuser Wohnungen gezahlt.“ Das meldete am 29. Oktober 1997 eine Nachrichtenagentur. Der Zwischenerwerber Aubis wolle die Wohnungen sanieren und ein Drittel davon privatisieren, hieß es damals weiter. Und: „Die Aubis-Gruppe hat in Ostdeutschland bereits etwa 10.000 Wohnungen gekauft. In einigen Fällen hatte es Finanzierungsprobleme gegeben.“

Finanzierungsprobleme, deren scheinbare Lösung nun 15 ehemalige Topmanager der Berliner Bankgesellschaft ab morgen vor Gericht bringt. Unbestreitbarer Anklagebankchef dabei: Klaus Rüdiger Landowsky, ehemaliger Berliner CDU-Fraktionschef und Big Boss der Berlin Hyp, der Immobilientochter der mehrheitlich landeseigenen Bankgesellschaft. Der Vorwurf an die Beschuldigten: schwere Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu. Neben Landowsky sind unter anderem angeklagt: der ehemalige Chef der Bankgesellschaft Wolfgang Rupf, der im Aufsichtsrat der Berlin Hyp gesessen hatte, die ehemaligen Hyp-Vorstandsmitglieder Theo Sch., Jürgen N., Gerd-Ulrich B. sowie die Aufsichtsräte Wolfgang St. und Manfred B.

Eberhard Diepgen (CDU), ehemaliger Regierender Bürgermeister und langjähriger Weggefährte Landowskys, begrüßte gestern den Prozessbeginn. Damit werde die Angelegenheit aufgeklärt, so Diepgen, der im Wahlkreis Neukölln für den Bundestag kandidiert.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, 1996 und 1997 gesetzwidrig Kredite von 470 Millionen Mark an die Immobilienfirma Aubis vergeben zu haben – ohne Prüfung, ob die Firma und deren Chefs kreditwürdig waren. Damit sollen die Angeklagten gegen das Kreditwesengesetz verstoßen haben. Zudem sollen sie gegen die Pflicht zur vorsichtigen Bewertung der Beleihungsobjekte nach dem Hypothekenbankgesetz verstoßen haben. Durch die Kreditvergabe soll ein Vermögen in Höhe von 135 Millionen Mark gefährdet worden sein.

Mit dem Geld kaufte Aubis im großen Stil Plattenbauwohnungen in Ostdeutschland – zum Beispiel in Cottbus, Plauen oder Schwerin. Die Wohnungen sollten saniert und weiterverkauft werden. Mitte der 90er-Jahre zeichnete sich aber längst ab, dass die Großsiedlungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würden. Die Bewohner suchten längst Arbeit im Westen oder bezogen Eigenheime in den Speckgürteln der Städte.

Die Aubis-Manager Klaus Wienhold und Christian Neuling hätten dies wissen können, zumindest hätten aber beim Kreditgeber alle Alarmglocken läuten müssen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Bankern vor, gewusst zu haben, dass sie die Kredite an unerfahre Sanierer ausreichten, die auf eine hundertprozentige Finanzierung durch die Bank angewiesen waren. Im Bestreben, die Berlin Hyp zu einer großen Hypothekenbank zu entwickeln, sollen sie ihre Pflichten bei der Kreditentscheidung vernachlässigt haben.

Besonders pikant: Zeitnah zur Vergabe der Aubis-Kredite hatte Landowsky, langjähriger Strippenzieher in der Berliner CDU, eine Barspende für seine Partei in Höhe von 40.000 Mark angenommen, die später nicht in der Bilanz auftauchte. Die Spender waren die Parteifreunde und Aubis-Chefs Klaus Wienhold und Christian Neuling. Beide werden in dem morgen beginnenden Prozess als Zeugen geladen. Zu einem Strafprozess gegen Landowsky wegen der Parteispende kam es nie – als die Spende Jahre später ruchbar wurde, war die Tat bereits verjährt.

Erst als 2001 die Bankgesellschaft wegen der risikoreichen Immobilienfondsgeschäfte – zuvor war ein ominöser Rettungsversuch über eine Briefkastenfirmen auf den Cayman-Inseln am Widerstand der staatlichen Bankenaufsicht gescheitert – kurz vor der Pleite stand, gerieten auch die Aubis-Kredite in den Blick der Öffentlichkeit. Vor allem das Bekanntwerden der unrechtmäßigen Parteispende an Landowsky brachte den Bankskandal ins Rollen. Ohne die tiefe ökonomische Krise der Bank, die den Mehrheitseigentümer Berlin Milliarden kostet, hätten Aubis und die Parteispendenaffäre aber kaum zum Bruch der großen Koalition geführt. Und die Topmanager säßen wohl auch nicht auf der Anklagebank.

Obwohl an der Gründung der Bankgesellschaft 1994 beteiligt, nutzte im Frühjahr 2001 die Berliner SPD die Gunst der Stunde. Klaus Wowereit und Peter Strieder ließen die große Koalition platzen, die Berlin seit der Wende regiert hatte. Der folgende rot-grüne Übergangssenat beschloss eine Milliardenspritze für die Bank, bevor nach den Wahlen im Herbst der rot-rote Senat gebildet wurde. Neben der in Mecklenburg-Vorpommern ist dies die zweite SPD-PDS-Landesregierung.

Seitdem gehören die Aufklärung des Bankenskandals und die Bewältigung der dadurch verursachten Probleme zu den Kernaufgaben der Berliner Landespolitik. Am umstrittensten dabei: die so genannte Risikoabschirmung, mit der das Land für Verluste aus dem Alt-Immobilienfondsgeschäft der Bankgesellschaft mit bis zu 20,6 Milliarden Euro haftet. So wird die Bank, die aufgrund einer EU-Auflage die Berliner Bank verkaufen muss, auf Kosten der Steuerzahler saniert. Das zu einer Regionalbank zurechtgestutzte Kreditinstitut soll später privatisiert werden.

Die Bürgerinitiative Berliner Bankenskandal, die sich in der Hochphase des Skandals gründete, hatte Unterschriften für ein Volksbegehren gegen die Risikoabschirmung gesammelt. Weil der rot-rote Senat das Volksbegehren aber nicht zugelassen hat, zog die Initiative vor den Landesverfassungsgerichtshof. Im September gibt es dazu eine mündliche Verhandlung vor Gericht, die Initiative wertet dies als kleinen Zwischenerfolg.

Ansonsten ist es in Berlin erstaunlich ruhig um den Bankskandal geworden. Über die Gründe dafür lässt sich nur spekulieren: Vermutlich haben die meisten mittlerweile eine ungefähre Ahnung von den Vorgängen in der Vergangenheit in der Bank, die aber nicht mehr zu ändern sind. Und dass Berlin auch ohne seine Bank pleite wäre, ist eine verbreitete Erkenntnis.

Mit dem morgigen Prozess, der sich mindestens bis ins Frühjahr hinziehen wird, beginnt nun die juristische Würdigung eines Kerns des Skandals. Die Auflegung der Immobilienfonds mit ihren ausschweifenden Garantien für Anleger, die die Hauptursache für die Fastpleite der Bank war, harrt weiter einer strafrechtlichen Aufklärung. Und eines ist schon jetzt klar: Selbst wenn einige Dutzend zu Haft- oder Geldstrafen verurteilt werden sollten – die immensen Schäden für Berlin bleiben.