Malen, ohne Mann zu werden

Monika Baer erhielt den vom Land Berlin vergebenen Hannah-Höch-Preis für ihr künstlerisches Lebenswerk. Im n.b.k. stellt sie jetzt „Neue Bilder“ aus

Monika Baer, yet to be titled, Öl auf Leinwand, 216 x 145 cm Foto: n.b.k.

Von Christopher Suss

In einem Künstlergespräch am Art Institute of Chicago benannte die Berliner Künstlerin Monika Baer die Grundhaltung ihrer Arbeit als seit jeher von Skepsis in zwei Fragen bestimmt: Wie kann Malerei überhaupt Kunst sein? Und wie kann man in diesem Bereich tätig sein, ohne sich an eine männliche Identität anzupassen? Dass diese Fragen weder beantwortet werden konnten noch aus Baers Malerei verschwunden sind, wird nun eindrücklich im Neuen Berliner Kunstverein (n.b.k.) sichtbar.

Stocknüchterner Titel

Mit der Verleihung des Hannah-Höch-Preises des Landes Berlin an Monika Baer wurde dieser nun in seiner Geschichte öfter einer weiblichen Künstlerin als einem männlichen Künstler zuteil: Ein Ehrenzeugnis für einen der wichtigsten Kunstpreise der Stadt. Er wird für ein Lebenswerk vergeben.

Unter dem stocknüchternen Titel „Neue Bilder“ kuratierte Marius Babias anlässlich der Verleihung nun eine Einzelausstellung mit Baers jüngeren Arbeiten im n.b.k.. Parallel ist dort eine Schau mit Natascha Sadr Haghighian zu sehen, sie bespielte den deutschen Pavillon der Venedig Biennale 2019.


Baer studierte in den 80er Jahren an der Kunstakademie in Düsseldorf als spätere Meisterschülerin von Alfonso Hüppi und sieht das Klima dieser Zeit selbst als entscheidend für ihren späteren Weg als eine Künstlerin, die sich bewusst in ständiger Verhandlung mit Leinwand, Materialität und Motiv befindet.

Neue Kampfeslust

Das ist sie auch in den Arbeiten in „Neue Bilder“, die allesamt aus diesem Jahr stammen: Bauklotzförmige Architekturen wachsen aus den Flächen der kleineren Formate, Zeitungsausschnitte sind nonchalant handbeschnitten aufgeklebt und ein Pizzakarton aus Northeast Los Angeles schimmert aus dem Hintergrund hervor. Immer wieder variiert Baer Figuren aus teils schimmernden, teils matten Sägeblattfragmenten. Sie sind die Stahlketten und Schnapsflaschen früherer Bilder nach der Metamorphose zu einer neuen Kampfeslust.

Das Bildpersonal: ein Akt von Rosemarie Trockel, die heute an Baers Alma Mater lehrt, die französischen Künstlerinnen Suzanne Valadon und Séraphine Louis, Adèle Haenel auf einer Schwarz-Weiß-Fotografie sowie bei der Verleihung des Césars – und Harvey Weinstein. Der ist auf dem Weg zu einer seiner Gerichtsverhandlungen zu sehen, krankfeiernd auf einen Rollator gestützt.

Spätestens durch die Präsenz Weinsteins, der im März in New York wegen Vergewaltigung verurteilt und hier in die Leinwandkante eines unbetitelten Bilds verbannt wurde, kommt die politische Vehemenz dieser Arbeiten in aller Deutlichkeit auf. Die eingeschraubten Sägeblätter sind Schmuck und Bewaffnung zugleich: Auch für die doppelt abgebildete Schauspielerin Adèle Haenel, die sich in „Portrait de la jeune fille en feu“ einer Zwangsheirat zu erwehren versucht, und für die Malerin Séraphine Louis, deren Werke während des Ersten Weltkriegs beschlagnahmt und verkauft wurden.

Nicht nur der berühmte ­„Goethe in der Campagna“ von Wilhelm Tischbein thronte in der Porträtmalerei der früheren Jahrhunderte auf einer steinernen Brüstung. Wo damals adlige, intellektuelle und berühmte Männer posierten, lässt Baer in vier großen, ebenfalls unbetitelten Gemälden Baumstämme empor in eine pastellige Landschaft aus Nebel ragen. Die Farben dieser Bilder sind lasierend Zartrosa und Hellblau. Als Bruch mit der Leinwand kommen hier Tränen oder Tropfen aus Hartschaum vor, die Baer schon in früheren Serien appliziert hat.

Die eingeschraubten Sägeblätter sind Schmuck und Bewaff­­nungzugleich

Die Mannigfaltigkeit des Lebens

Ob die rissigen, abblätternden und sich in der Auflösung befindlichen Baumstämme als Kritik am Phallus oder als träumerische Architektur gelesen sein sollen, bleibt offen. Hannah Höch plädiert in ihrem Tagebuch, auch schon bald hundert Jahre in der Vergangenheit: „Ich will die Mannigfaltigkeit des Lebens preisen mit meiner Arbeit, die Schönheit auch – aber nur als in der Nichtgefälligkeit mit einbeschlossen.“ Es ist gut vorstellbar, dass Baer mit diesem künstlerischen Leitstern einverstanden wäre.

Auch diese Ausstellung und der Neue Berliner Kunstverein sind nicht unberührt von der Coronakrise geblieben. Die Verleihung des Hannah-Höch-Preises fand nach Angaben des Vereins aus diesem Grund nur im engsten Kreis am 11. Juni statt, der Beginn der Schau wurde um eine Woche verschoben, ein Eröffnungsprogramm war nicht durchführbar.

Das euphorisierende Wuseln einer Vernissage haben die „Neuen Bilder“ von Monika Baer aber auch gar nicht nötig. Dafür gehen sie zu eindringlich in den Dialog mit den Besucherinnen und Besuchern. Die Konversation kann in dem beidseitigen Einverständnis enden, dass dieser Preis zur richtigen Zeit an das richtige Lebenswerk vergeben wurde.

Bis 2. August, n.b.k., Berlin. Katalog (Buchhandlung Walther König) 19,80 Euro