Erst Nippon, dann die Liga

Die Bundesliga vor dem Start (Teil 1). Heute: die Bayern. Nur gut, dass München das Halbfinale des Ligacups verloren hat. Schließlich steht seit gestern ein wichtiger Werbefeldzug durch Japan an

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Natürlich waren sie wieder mal den berühmten Tick schneller, die Bayern. Wie die das immer hinkriegen! Beenden absolut zeitgleich mit dem VfB Stuttgart das Kräftemessen auf dem Rasen, haben exakt den gleich langen Weg in die Umkleidekabine, müssen an ganz denselben Journalisten-Geiern vorbei – und ziehen am Schluss doch mit sechs Minuten Vorsprung ab. Als um 23.04 Uhr der Mannschaftsbus des VfB die wunderhübsch bayernrot illuminierte Allianz Arena in Richtung A 8 verlässt, da ist das glitzersilberne Gefährt des FCB schon kurz vorm Franz-Josef-Strauß-Flughafen. Wie immer waren die Branchenführer aus München auch bei der Suche nach einem Plätzchen für das neue Stadion taktisch sehr geschickt vorgegangen. Eigentlich logisch, dass ein Klub von Welt nahe am Airport baut. Nicht nur damit es die Gäste nicht so weit haben, um sich ihre Niederlage abzuholen, sondern damit man auch selbst schnellstmöglich um den Globus jetten kann.

Nach dem 1:2 gegen den VfB war es wieder so weit. Die Niederlage im Halbfinale des Ligapokals war gerade mal ein paar Minuten alt, da befand sich der deutsche Meister schon auf der nächsten Mission: Go east! Ab nach Japan. Den asiatischen Markt öffnen. Wie es zurzeit irgendwie alle tun (Manchester, Madrid, Barcelona, Boca Juniors). Wie es auch der FC Bayern eigentlich schon seit Jahren vorhat. Doch jetzt machen Hoeneß und Rummenigge Ernst und schicken ihre Premium-Kicker neun Tage vor Saisonstart auf einen Trip, den man keinem Groundhopper zumuten möchte. Dienstagnacht: Abflug in München, zwölf Stunden bis Tokio. Ankunft abends um sieben, sieben Stunden Zeitunterschied, irgendwie ins Bett. Donnerstag: Training plus Privatspiel gegen den FC Tokio. Freitag: Training. Samstag: Training plus Privatspiel gegen Jubilo Iwata. Dazu: Sponsorentermine. Sonntag: ab nach Hause, zwölf Stunden Flug, sieben Stunden Zeitunterschied, irgendwie ins Bett. Nur gut, dass wenigstens das Ligapokal-Finale am Dienstag ausfällt. Denn natürlich wird der deutsche Meister auch zur Eröffnung der Bundesliga-Saison gebraucht: Freitagabend gegen Gladbach.

Man möchte derzeit nicht tauschen mit den Angestellten des FC Bayern. Und was der Trainer dieses auf immer und ewig zum Titelsammeln verdonnerten Klubs in Wahrheit über den Japan-Trip denkt, wird man wohl nie erfahren. Felix Magath beantwortet jedenfalls die Frage, ob das alles nicht ein bisschen zu stressig sei mit einem Wort: „Nein!“ Natürlich passt ihm dieser Ausflug in die eh schon komplizierte Saisonvorbereitung in etwa so gut hinein wie Bixente Lizarazu in ein Jackett von Ottfried Fischer. Magath bleibt nur die Flucht ins Humorige („Ich freue mich drauf, ich war schon lange nicht mehr in Japan“). Oder das Akzeptieren der normativen Kraft des Faktischen: „Das gehört halt zu so einem Klub wie dem FC Bayern dazu. Wenn wir neue Märkte erschließen wollen, müssen wir diese Reise jetzt machen. Es bleibt kein anderer Zeitpunkt.“ Schöne Aussichten: Noch bevor die Saison beginnt, sind alle Termine dicht. Und dass mal einer frei wird wegen eines verkorksten Champions-League-Auftritts, ist natürlich auch nicht gewünscht.

Japan also. „Wir glauben, dass Japan das wichtigste und seriöseste Land in Asien ist“, sagt Karl-Heinz Rummenigge. Folgerichtig ist man auch hier auf dem Transfermarkt aktiv geworden und hat sich das Know-how des Sportjournalisten Martin Hägele gesichert, der sich seit vielen Jahren mit dem asiatischen Fußball beschäftigt. Seit Herbst 2003 kann man die Homepage des FCB nicht nur auf Englisch lesen, sondern auch auf Japanisch. Ein Übersetzerteam hat die mehr als 10.000 Seiten in ein gar lustig anzusehendes Zeichenmeer verwandelt. Sogar die Internetadresse fcbayern.jp hat man sich reserviert. Seit Januar 2004 gibt es auch den Online-Shop in japanischer Sprache. Ein Fanclub sitzt in Osaka, derer gar sechse in China, darunter einer mit dem schönen Namen „Oans, Zwoa-Gsuffa FC Bayern Shanghai“.

Anfang Juli hatten Hoeneß und Rummenigge in der Allianz Arena japanischen Journalisten von ihren Osterweiterungsplänen berichtet: „Wir möchten ein partnerschaftliches Verhältnis aufbauen“, sagte Rummenigge und sprach von einem „langfristigen Invest“: „Wir wollen nicht nur Geld verdienen, sondern etwas zurückgeben. Wir möchten dazu beitragen, dass sich der Fußball in Japan weiterentwickelt.“ Fußballschulen sollen aufgebaut, Trainer ausgetauscht und in der Nachwuchsförderung zusammengearbeitet werden. Zudem geplant sind Vereinspartnerschaften. Auch den Rat eines weiteren Kenners holten sich die Bayern-Bosse: Dettmar Cramer. Der 80-Jährige führte Nippons Nationalelf 1968 zum Gewinn der Bronzemedaille bei Olympia in Mexiko, wurde mit dem höchsten japanischen Kulturorden ausgezeichnet und gilt als Vater des japanischen Fußballs.

2 Millionen Euro bringt der Betriebsausflug in die Bayern-Kasse – die 1,85 Millionen für den Gewinn des Liga-Pokals hätten die Dauersieger (1997–2000 sowie 2004) sicher auch noch gerne mitgenommen. Gut gebrauchen können sie das Geld unter anderem für den wichtigsten Vertragsabschluss der näheren Zukunft: Mit im Flieger saß ein gewisser Michael Becker, Berater von Michael Ballack. Sollten Hoeneß und Rummenigge mit den beiden Herren bei Sushi und Sake Einigung erzielen, wäre sicherlich das schönste Mitbringsel dieser merkwürdigen Reise. Auch das werden sie mal wieder hinkriegen, diese Bayern.