„Die Debatte ist nicht frei“

Jutta Ditfurth liest aus Ulrike-Meinhof-Biografie

■ Die Sozialwissenschaftlerin und ehemalige Grünen-Politikerin hat 2008 nach sechs Jahren Recherche eine Biografie über Ulrike Meinhof veröffentlicht.  Foto: dpa

taz: Frau Ditfurth, was ist szenisch an Ihrer heutigen Lesung?

Jutta Ditfurth: Ich bringe Fundstücke und Bilder mit.

Was für Fundstücke sind das?

Beispielsweise neue Informationen über das Verhältnis zwischen Klaus Rainer Röhl, Stefan Aust und dem Bundeskriminalamt (BKA).

Was ist neu an Ihrem Buch?

Das herrschende Bild über Ulrike Meinhof speist sich seit rund 30 Jahren vor allem aus vier giftigen Quellen: Renate Riemeck, Klaus Rainer Röhl, BKA und Stefan Aust. Fast alle Autoren schrieben bei ihnen ab. So wird herrschende Meinung konstruiert.

Und worin besteht das herrschende Bild?

Der Mythos besagt: Meinhof kam aus einer antifaschistischen Familie, hatte eine linke Pflegemutter, war eine problemlos erfolgreiche Publizistin, die, bloß weil ihr Mann sie betrog, zur Furie wurde und zum Sprengstoff griff. Auch ihre historische Funktion als Vordenkerin der Apo und der neuen Frauenbewegung wird geleugnet.

Droht Ihnen im Gegenzug nicht der Vorwurf, zu unkritisch zu sein?

Die Debatte ist nicht frei in diesem Land. Ein Journalist sagte, ich hätte den Fehler begangen, Ulrike Meinhof „als Mensch“ darzustellen. Unkritisch aber sind doch die, die den giftigen Quellen blind alles geglaubt haben. Wäre der 75. Geburtstag von Ulrike Meinhof nicht der Anlass, sich kritisch mit dem Menschen auseinanderzusetzen, der sie wirklich war? INTERVIEW: CAR

20 Uhr, Polittbüro