Neuer Protest gegen den Gaza-Abzug

Jüdische Siedler wollen kommende Woche einen weiteren Marsch in den gesperrten Gaza-Streifen unternehmen. Sie betonen ihre Gewaltlosigkeit. Religiöse Extremisten halten ein Todesgebet gegen den israelischen Regierungschef Ariel Scharon ab

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die jüdischen Siedler starten am kommenden Dienstag eine zweite Protestrunde gegen den Abzug aus dem Gaza-Streifen. Unter dem Motto „Hilfe für unsere heldenhaften Brüder“ in Gusch Katif soll der nächste Demonstrationszug von der Negew-Stadt Sderot ausgehend bis zum Siedlungsblock im Gaza-Streifen führen, obschon er zur militärischen Sperrzone erklärt wurde.

Eine Gruppe von extremistischen Gläubigen verhängte unterdessen das mystische Todesurteil „Pulsa denura“ gegen Premierminister Ariel Scharon als Strafe für den von ihm entworfenen Abzugsplan. Im Verlauf der auf einem Friedhof abgehaltenen Zeremonie beteten die religiösen Männer dafür, dass Scharon „innerhalb von 30 Tagen von dieser Erde verschwindet“.

Entsprechend der Kabbala (jüdische Mystik) müssen mindestens zehn Geistliche um Mitternacht im Schein schwarzer Kerzen in einer Synagoge zusammenkommen und den Schofar blasen, nachdem sie gemeinsam den vorgeschriebenen Text gelesen haben.

Jossi Dajan, einer der Initiatoren des gruseligen Rituals, das als schlimmster kabbalistischer Fluch gilt, hatte bei einer ähnlichen Zeremonie vor zehn Jahren gegen den damaligen Premierminister Jizhak Rabin teilgenommen. Nur vier Wochen später war Rabin von einem jüdischen Extremisten erschossen worden. Der Verfluchte ist in den Augen der Fanatiker vogelfrei.

Benzi Liebermann, Vorsitzender des Siedlerverbandes Jescha (Judäa, Samaria und Gaza) verpasste die Chance, sich im Rahmen einer gestrigen Pressekonferenz in Jerusalem von den Extremisten zu distanzieren. Nichtsdestotrotz betonte Liebermann mit Blick auf die zweite Protestrunde der Siedler, dass das höchste Gebot für die Demonstranten die Gewaltlosigkeit sei. Mit der dreitägigen Veranstaltung der vergangenen Woche, als „70.000 Menschen“ in dem Dorf Maimon „trotz der polizeilichen Provokationen“ friedlich gegen den Regierungsplan protestierten, sei „ein historisches Modell für den demokratischen, gewaltfreien und vom Volk ausgehenden Kampf“ geschaffen worden.

„Der Abzug führt zum Terror“ steht auf den Plakaten der Siedler, die zu einem „Überdenken“ des Regierungsplans aufrufen. Von Sderot aus startend soll erst vor Ort über den Weg in Richtung Gusch Katif entschieden werden. Möglich ist, dass die Demonstranten in mehreren Gruppen marschieren werden, um möglichst viel Sicherheitspersonal auf sich zu konzentrieren, während am Grenzübergang Kissufim andere Demonstranten versuchen werden, sich den Weg zum Siedlungsblock zu bahnen.

Erklärtes Ziel ist, die „Vertreibungsmaschinerie aufzuhalten“, so Liebermann, der überzeugt davon ist, dass das bereits gelungen wäre, „hätten wir in der letzten Woche noch ein paar Tage länger ausgeharrt“. Der einzige Weg, die Siedler zu überzeugen, wären Neuwahlen oder ein Referendum.