das portrait
: Positiv gegen die Negativität des Rassismus: Austen Peter Brandt

Foto: imago

Austen Peter Brandt entwaffnet mit seiner Freundlichkeit, doch seine Standpunkte sind klar. „Es ist sehr wichtig, dass das Racial Profiling untersucht wird“, sagt der 67-Jährige der taz in Bezug auf Innenminister Seehofer, der eine geplante Studie zu einer rassistischen Polizeipraxis abgesagt hatte.

„Als Pfarrer hatte ich mit Polizisten zu tun, die den gesellschaftlichen Rassismus nicht für sich aufgearbeitet hatten, ihn verdrängten. Ich bin skeptisch, was Zwangstrainings angeht, aber wir würden gerne Zugang zu denen in der Polizei finden, die bewusster sind, die suchen.“

Seit 1988 sensibilisiert Brandt in mehrtägigen Trainings kleine Gruppen für alltäglichen und strukturellen Rassismus und will der Negativität des Rassismus positive Strategien entgegenstellen. 2010 erhielten Brandt und sein Verein Phoenix für dieses Engagement den Aachener Friedenspreis. „Wir wollen durch die Trainings einen Raum eröffnen, in dem nichts gefordert, aber viel ermöglicht wird“, sagt Brandt. Ermöglicht werde das Verlernen rassistischer Muster erst, in dem man sie sich gemeinsam bewusst macht. „Dabei dürfen Menschen Fehler machen. Es geht auch nicht um messbare Ergebnisse, die man abprüfen kann, eher um eine Langzeitwirkung.“

Diesen Ansatz hat der Theologe ab den späten 1970ern in Großbritannien gelernt. „Erst dort konnte ich meine deutsche Erfahrung verstehen“, erklärt er der taz im Videotelefonat.

Brandt wurde 1952 als Sohn einer deutschen Mutter und eines nigerianischen Vaters in London geboren. Mit zwei Jahren kam er ins Ruhrgebiet. „Von meinem fünften Lebensjahr an war mir bewusst, dass meine Hautfarbe eigentlich die falsche ist“, erinnert er sich an sein Aufwachsen im Essen. Nach seiner Schulzeit, in der er erste Diskriminierungen erfuhr, studierte er Theologie und wurde 1993 Pfarrer einer Kirchengemeinde in Duisburg-Walsum. Dort gründete er im selben Jahr seinen Verein, der heute bundesweit Antirassismus- und Empowerment-Seminare organisiert. Benannt ist die Initiative nach der Britin Sybil Phoenix, bei der Brandt seine Ausbildung zum Antirassismuspädagogen absolviert hatte.

„Bis 1990 wurde Rassismus in Deutschland nicht als Problem anerkannt. Auch in der linken und christlichen Szene nicht. Selbst bei Leuten, die sich mit Südafrika solidarisierten, hieß es damals, dass es in Deutschland keinen Rassismus gäbe.“

Dass es 30 Jahre später eine breite Debatte über Alltags- und strukturellen Rassismus in Deutschland gibt, freut Brandt und ist zu einem guten Teil auch ihm zu verdanken. Die jungen Menschen, die in München, in Bremen, in Leipzig und Berlin auf die Straße gehen, bewundert er. „Sie sagen, was sie wollen. Sie setzten Grenzen, dem Konsum, den Gräueltaten, dem alltäglichen Verhalten. Sie fordern, dass die Institutionen auch uns so dienen, wie es das Grundgesetz vorsieht: kompetent und professionell. Das sind keine Sonderwünsche.“ Stefan Hunglinger

Mehr unter taz.de/bewegung