petition der woche
: Warum Bismarck, wenn auch Haftbefehl geht?

Anlass der Petition #BlackLivesMatter-Proteste

Das wollen die Initiatoren Umbenennung der Bismarckstraße in Offenbach

Das wollen sie nicht Die Ehrung politisch problematischer Persönlichkeiten

Die Bismarckstraße im hessischen Offenbach soll umbenannt werden: Nicht mehr der lange Zeit konsensual als nationale Ikone gehandelte „Eiserne Kanzler“ Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (ab 1865 Graf von Bismarck-Schönhausen, ab 1871 Fürst von Bismarck, ab 1890 auch Herzog zu Lauenburg), sondern der Rapper Haftbefehl (vor 2006 auch Aykut Anhan) soll einer der wichtigsten Ost-West-Verkehrsstraßen in Offenbach seinen Namen geben.

Ins Leben gerufen hat die Petition der 29-jährige Stadtgeografie-Student Felix Sauer, im Petitionstext heißt es: „In der ganzen Welt werden dank #BlackLivesMatter Statuen umgeschubst und stolpern ins Wasser – endlich wird der Kolonialismus kritisch angegangen und Geschichte neu betrachtet (...), Otto von Bismarck hat mit der von ihm 1884/1885 in Berlin organisierten Kongo-Konferenz die Kolonisierung Afrikas organisiert und ist damit für das Leid und die Ermordung von Millionen von Menschen (mit)verantwortlich. Auch außerhalb dieser Konferenz war er ein Kriegstreiber. Die falschen Leute werden hier geehrt, und die wirklich wichtigen bekommen nur einen kleinen Fahrradweg“.

Stattdessen schlägt Initiator Sauer den Rapper Haftbefehl als Namensgeber vor, einen der bekanntesten lebenden Söhne der Stadt: Anhan wurde als Kind türkeistämmiger Eltern in Offenbach geboren. Sein zazaisch-kurdischer Vater stammt aus dem osttürkischen Dersim, heute Tunceli, seine türkische Mutter aus Giresun am Schwarzen Meer. Nachdem sein Vater sich das Leben nahm, als Anhan 14 Jahre alt war, brach er die Schule ab und und wurde ein Jahr später erstmals zu Jugendarrest verurteilt. Haftbefehl („Chabos wissen, wer der Babo ist“) ist einer der erfolgreichsten deutschen Rapper und genießt sowohl „auf der Straße“ als auch im Feuilleton Anerkennung. Mit seinen 34 Jahren gehört der Offenbacher bereits zur alten Garde, jüngst erschien „Das weiße Album“, die erste Neuerscheinung seit fünf Jahren.

Der Petitionist Felix Sauer hat sich jedoch keineswegs auf Haftbefehl festgelegt, es handelt sich nur um einen Vorschlag, alternativ könnte er sich zum Beispiel auch Erwin Kostedde als Namensgeber vorstellen. Der Sohn eines afroamerikansichen GIs und einer deutschen Mutter war der erste deutsche Nationalfußballspieler of Color und hat mit Offenbach gar nichts zu tun, er wurde in Münster geboren und lebt auch noch immer in der Nähe seines Geburtsorts.

Auch insofern ist es für die Petition hilfreich, bei der Namensfindung offen zu bleiben: Straßen werden hierzulande üblicherweise nicht nach Lebenden benannt, eine Reaktion darauf, dass es einst überall Hitler- und Stalinplätze und -straßen gab. Sauer verweist zugleich auf andere aus seiner Sicht problematische Namensgebungen in Offenbach: „Schillstraße (Freikorpsführer), Hugo-Eberhardt-Weg (Nazi-Symphatisant) oder auch das Klingspor-Museum (erhielt die goldene Goethe-Medaille von Göbbels (sic)“.

Die Petition richtet sich direkt an Offenbachs Oberbürgermeister Felix Schwenke, der derweil in der Frankfurter Rundschau bekannte, zwar kein Fan Bismarcks zu sein, aber dessen Leistungen durchaus anerkenne. Die Petition hat bereits über 1.800 Unterzeichner:innen. Martin Reichert