corona in hamburg: „So wenig Blut hat es noch nie gegeben“
Die nächsten Blutspende-Termine finden sich unter https://www.blutspende-nordost.de/blutspendetermine
Interview Michelle Bauermeister
taz: Herr Ringwald, finden aktuell Blutspenden statt?
Jürgen Ringwald: Ja, klar – und zwar annähernd wieder auf dem Niveau wie vor der Corona-Zeit. Wir liegen ungefähr im Bereich von knapp 10 Prozent unter dem Normalen. Es gibt auch einen entsprechend hohen Bedarf in den Kliniken und in den Praxen. Im Moment werden wieder in den Kliniken Blutpräparate verabreicht, fast wie vor Beginn der Krise.
Gibt es also wieder ausreichend Blutspender*innen?
Wir sind seit ungefähr anderthalb Wochen wieder einigermaßen zufrieden und können die Kliniken versorgen. Die Wochen davor waren gelinde gesagt eine Katastrophe. Anfang Mai kamen die Lockerungen und die Kliniken durften wieder operieren. Dadurch ging innerhalb von wenigen Tagen der Blutbedarf hoch. Jetzt im Moment sind wir wieder auf einem guten Weg. Aber die Wochen zuvor waren heftig. So wenig Blut in Deutschland hat es in meinen 25 Jahren, die ich in dem Gewerbe arbeite, noch nie gegeben.
Wird das Blut der Spender*innen zuvor auf das Coronavirus getestet?
Das Blut der Spender*innen wird nicht auf das Virus getestet, weil das Virus nach dem jetzigen Kenntnisstand nicht über Blut übertragen wird. Das heißt, die Bluttransfusion spielt keine Rolle in der Weiterverbreitung des Virus, sondern Tröpfcheninfektionen, Aerosole und solche Dinge.
Also dürfen auch Menschen spenden, die bereits Corona hatten?
Jürgen Ringwald,54, ist Leiter der Institute für Transfusionsmedizin des DRK-Blutspendedienst Nord-Ost.
Ja, die dürfen spenden. Wir haben sogenannte Abstandsfristen, wie lange die Erkrankung her sein muss. Man muss mindestens vier Wochen wieder völlig gesund sein. Es ist sogar so, dass von Menschen, die das Virus durchgemacht haben, zum Teil in Studien und Therapieversuchen das sogenannte Rekonvaleszentenplasma gewonnen wird. Man erhofft sich dadurch, dass die Antikörper von den immunisierten Menschen den anderen Infizierten helfen können, die Erkrankung besser zu überwinden.
Könnte eine zweite Infektionswelle eine Gefahr für die Blutversorgung werden?
Im Prinzip ja. Es könnte sich natürlich das wiederholen, was wir im Frühjahr erlebt haben. Es kommt darauf an, wie stark eine Infektionswelle ist. Wir haben hier einen Pandemieplan und wir treffen uns in den verschiedenen Regionen mehrfach wöchentlich und führen Telefonate. Da reagieren wir dann auf die täglichen Entwicklungen.
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