Gleiches Recht auf Studien-Schulden

Baden-Württemberg führt ab 2007 Studiengebühren ein. Auch Bafög-Empfänger müssen sie bezahlen – damit sich die übrigen Studis nicht benachteiligt fühlen. Die CDU hält das Modell für sozialverträglich, weil es einen Anspruch auf Bankkredite vorsieht

VON ANNA LEHMANN

Als erste Landesregierung hat das Kabinett Baden-Württembergs am Dienstag ein Konzept zur Einführung allgemeiner Studiengebühren beschlossen. Während Bayern und Nordrhein-Westfalen entsprechende Vorhaben immer wieder verschoben haben, werden im Ländle ab dem Sommersemester 2007 für das Erststudium Gebühren in Höhe von 500 Euro fällig. Im Dezember soll der von CDU und FDP dominierte Landtag dem Entwurf zustimmen.

Die Landesregierung hat grob überschlagen, dass den Hochschulen pro Jahr mindestens 115 Millionen Euro aus Gebührengeldern zufließen könnten. Zahlen müssen alle, die ein Studium beginnen oder bereits eingeschrieben sind. Lediglich Studierende mit Kind, chronisch Kranke, Behinderte und Studis mit zwei und mehr Geschwistern, sollen einen Freiplatz bekommen.

Sonstige soziale Unterschiede kennt Baden-Württemberg nicht mehr. Ursprünglich hatte Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) erwogen, auch Bafög-Empfänger von den Gebühren freizustellen. Diese Überlegungen wurden jedoch fallen gelassen: „Das wäre eine ungerechte Ungleichbehandlung gegenüber Studenten, die kein Bafög bekommen“, sagte der Sprecher des Wissenschaftsministers, Gunter Schanz.

Unerwähnt bleiben im Konzept auch Darlehen und Stipendien, die die unionsgeführten Bundesländer zur Abfederung möglicher Gebühren versprachen, als sie vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das allgemeine Verbot klagten.

Stattdessen haben Studierende Anspruch auf einen Kredit bei der hiesigen Staatsbank, der L-Bank. Ausgenommen sind Nicht-EU-Ausländer, Langzeitstudierende und alle, die älter als 35 Jahre sind.

Zwei Jahre nach Studienende und ab einem bestimmten Mindesteinkommen sind die ersten Raten fällig. Laufzeit und Zinshöhe sprechen L-Bank und Wissenschaftsministerium gerade ab. Fest steht, dass die Darlehen nicht kostenlos sein werden. Auch das Ausfallrisiko tragen die Studierenden selbst. Wenn Kommilitonen nicht zahlen können, wird der Bank das Geld aus einem Fonds erstattet, der sich aus Gebühren speist.

Die Studierenden sehen ihre schlimmsten Erwartungen bestätigt: „Das Konzept ist absolut kontraproduktiv“, meint Sascha Vogt vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren. Er erwartet, dass Kinder aus einkommensschwächeren Familien vom Studium abgeschreckt werden.

Auch beim deutschen Studentenwerk (DSW) bezweifelt man, dass Darlehen einen wirksamen sozialen Ausgleich herstellen. Die Neigung der Studierenden, sich hoch zu verschulden, sei im Vergleich zu anderen Ländern gering, meint Stefan Grob vom DSW. „Tendenziell nimmt die Bereitschaft in den unteren Schichten noch ab.“ In der Sozialerhebung des DSW vom letzten Jahr gibt jeder fünfte der Studierenden, die trotz Anspruch kein Bafög beziehen, an, er oder sie wolle keine Schulden machen.

Auch das Hochschulinformationssystem HIS in Hannover prognostiziert, dass Gebühren gerade sozial Schwächere abschrecken könnten. Für Studierende, die nicht auf die Unterstützung der Eltern rechnen könnten, verteuere sich ein Studium, die erwarteten Einkommensvorteile schwänden, meint Thorsten Lang vom HIS. Also sei die Sozialverträglichkeit trotz nachlaufender Gebühren nicht vollends gewährleistet. In einer in dieser Woche veröffentlichten Studie hatte das HIS festgestellt, dass fast ein Viertel der potenziellen Studienanfänger, die auf ein Studium verzichten, drohende Studiengebühren als Grund angeben.