„Gewinn und Verlust werden sich ausgleichen“

Merkels Mehrwertsteuerpläne werden keine Auswirkung auf die Beschäftigungszahlen haben, sagt der Arbeitsmarktforscher Gerd Zika

taz: Herr Zika, von Ihnen stammt die jüngste Studie über den Zusammenhang von Lohnnebenkostensenkung und Jobzuwachs. Was halten Sie vom Plan der Union, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu senken und dies mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer zu finanzieren?

Gerd Zika: Erst einmal habe ich meine Zweifel an der Rechnung der Union. Die zwei Prozentpunkte Mehrwertsteuer werden nicht ausreichen, um die Arbeitslosenversicherungsbeiträge um zwei Prozent zu senken. Wenn außerdem auch noch die Bundesländer einen Teil der Steuereinnahmen absaugen, vergrößert sich die Finanzierungslücke entsprechend.

Aber stimmt denn die Rechnung grundsätzlich: Lohnnebenkosten runter, Beschäftigung rauf?

Grundsätzlich hängt das davon ab, wie die Gegenfinanzierung ausschaut. Die Union will ja auch, dass die Bundesagentur für Arbeit spart, also ihre Angebote abbaut. Doch Ausgabeneinsparungen werden im Moment dazu führen, dass die Arbeitslosigkeit erst einmal zunimmt.

Wie sieht also die Bilanz aus?

Die politische Mischkalkulation der Union macht es schwierig, den Effekt genau zu berechnen. Doch vermutlich werden sich Gewinne und Verluste an Jobs ausgleichen. Weder wird die Arbeitslosigkeit nennenswert sinken, noch wird die Beschäftigung nennenswert steigen.

Und im allerallerbesten Fall?

Gemessen an 4,7 Millionen Arbeitslosen wären selbst 100.000 neue Jobs noch ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Sie warnen in Ihrer Studie davor, die Wirkung der Lohnnebenkostensenkung zu überschätzen, und klagen über die „relativ einfachen“ Argumente in der Medienöffentlichkeit. Wird Ihnen angesichts der politischen Verwendung der Lohnnebenkostenfrage mulmig?

Jedenfalls bin ich deprimiert, was die Umsetzung von Empfehlungen durch die Politik angeht. Die erste Studie dieser Art haben wir 1997 gemacht. Da war ich noch optimistischer, was Politik bewirken kann. Ich glaube, solange die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme an die Arbeit gekoppelt bleibt, wird es keine Besserung der Arbeitslosigkeit in großen Schritten geben.

Ihre Simulationsmodelle heißen „empirisch“, müssen also aus der Realität stammen.

Empirisch heißt: Unseren Rechnungen liegen vergangenheitsbezogene Daten zugrunde. Unsere Gleichungen sagen also etwas über Jobs, Löhne und deren Verhalten in Deutschland in der Vergangenheit aus. Prognosen arbeiten mit der Unterstellung, dass dies Verhalten gleich bleibt. Das macht sie natürlich riskant.

Kritiker der Lohnnebenkostenthese sagen, schon die Unterstellung von Ursache und Wirkung sei falsch – es gebe hierfür auch international kein Beispiel.

Es gibt unterschiedliche Erfahrungen – aber weil jedes System verschieden ist, lassen sich internationale Daten sowieso kaum übertragen. Grundsätzlich aber glaube ich, dass der skandinavische Weg – soziale Sicherung über Steuern statt über Abgaben zu finanzieren – der beste ist.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN