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Benjamin MoldenhauerPopmusik und EigensinnDer unerträglicheSpaß anforciert schlechter Laune

Foto: privat

Und wieder, Kollege Koopmann hatte in seinem Text über „Team Scheisse“ bereits angemerkt: Grübelt man nur lange genug darüber nach, woran einen eine Musik erinnert, wird es irgendwann egal. Bevor ich’s vergesse, also vorweg schnell noch dies: Die Musik der Bremer Band „keil“, die gerade ihr Album „Immer wieder an den gleichen Stellen“ veröffentlicht hat, erinnert mit ihren reduzierten Gitarren, dem streng-zackigen Schlagzeug und dem wechselhaft nüchtern berichtenden und sich dann überschlagenen Gesang an die sehr gute Stuttgarter Band „Die Nerven“.

Egal wird das bald unter anderem deswegen, weil „keil“ wie auch „Die Nerven“ in der langen Tradition von dissonantem Postpunk wurzeln. Falls so ein Naturvokabular wie „wurzeln“ im Falle von Musik, die sich in lustvoller Verkrampfung an der eigenen Entfremdung abarbeitet, überhaupt angebracht ist. Wahrscheinlich nicht.

Jedenfalls wird der ganze Fundus von „Gang of Four“ über „NoWave“ bis zu „Unwound“ zu etwas musikalisch sehr Schlüssigem kondensiert, das nun nicht neu, aber modern klingt und Spaß macht; so wie man an forcierter schlechter Laune und an Aufregung ohne konkreten Grund eben Spaß haben kann, gerade wenn man das Leben noch vor sich hat.

Die Freude an der vorbildlich miesepetrigen Pissigkeit überträgt sich beim Hören von „keil“ direkt vom Ohr auf den Rest des Hörers. Der Bandname deutet die Richtung an, in die das Ganze hier will: Besungen und vielleicht ja auch geschätzt wird das Trennende, das Ende der Gemeinschaft, die Isolierung, in der mehr Wahrheit liegen soll, als im bräsig-vertrauten Miteinander.

Das Geschrei wiederum markiert, dass Trennung und Abgesondertsein vom Rest nichts einwandfrei Tolles sind, so sehr man sie musikalisch auch zelebriert. „Keine Zukunft / keine Träume / gelbe Finger / Zwischenräume“. Dazu die Musik, immer angespannt und angeschrägt genug, um den Eigensinn aller Beteiligten zu bezeugen.

Also keine Ahnung, ob das irgendwas mit den Ideen der Musiker hier zu tun hat, ist ja auch egal. So jedenfalls klingen „keil“ in meinen Ohren. Am besten gefallen aber hat mir das erste Demo der Band, erschienen 2017. Das klingt noch um einiges mehr nach Proberaum und in seiner erfrischenden Unbedarftheit der Sache irgendwie noch einmal angemessener als „Immer wieder an den gleichen Stellen“. Musik für junge Leute, die es wissen wollen.

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