Die wilden Tiere kehren zurück

Biber, Luchse und Wölfe werden in Deutschland wieder heimisch. Die Schutzgebiete sind größer geworden, die Menschen netter zu den Tieren. Einige der einst gnadenlos verfolgten Tierarten kommen auf uralten Wanderwegen wieder zurück

Nach 200 Jahren sind die bis zu 1,30 Meter großen und an die 30 Kilogramm schweren Nager ins Wendland zurückgekehrt

VON REIMAR PAUL

Das Warten in der Dämmerung hat sich gelohnt. In einem alten Arm der Elbe bei Dannenberg plätschert es an der Wasseroberfläche. Ein Biber taucht auf, er schwimmt auf einen am Ufer liegenden Baum zu und verschwindet dann im Gestrüpp der Zweige. Nach 200 Jahren sind die bis zu 1,30 Meter großen und an die 30 Kilogramm schweren Nager ins Wendland zurückgekehrt.

Einige Dutzend Biber sollen inzwischen wieder an den nicht begradigten Abschnitten der Elbe, an ihren Altarmen und an Nebenflüssen wie Jeetzel und Seege ihre Burgen bauen, berichten Naturschützer aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg.

Doch nicht nur „Meister Bockert“ fühlt sich in Deutschland wieder heimisch. Immer mehr Wildtiere, die ausgerottet oder verdrängt waren, sind in den vergangenen Jahren wieder zurückgekehrt. Durch den Harz und den Bayrischen Wald streifen Luchse, im Solling und im Schwarzwald sind Wildkatzen unterwegs, Wolfsrudel leben in Brandenburg und Sachsen. Einige Tierarten wurden gezielt wieder angesiedelt. Im Harz setzten Mitarbeiter im Nationalpark seit 1999 rund 20 Luchse aus. Die scheuen Raubkatzen mit den Pinselohren haben sich in dem Mittelgebirge gut eingewöhnt und ihre Streifzüge bis nach Thüringen und Sachsen-Anhalt ausgedehnt, sagt der Luchsexperte Ole Anders.

Auch Auerhühner sind in den Harz zurückgekehrt. Landesforstverwaltung und Nationalpark-Mitarbeiter setzten die bis zu sechs Kilogramm schweren Vögel mit dem schwarzen Federkleid in den Hochlagen aus. Mehr als 800 Tiere, schätzt Friedhart Knolle von der Nationalparkverwaltung, wurden ausgewildert. Die Traditionsbrauerei „Hasseröder“ aus Wernigerode, Sachen-Anhalt, die den Auerhahn als Firmen-Logo führt, sponserte die Auswilderung.

Biber, Wildkatzen und auch die Wölfe kamen dagegen auf leisen Pfoten. Die vor einigen Jahrzehnten praktisch ausgerotteten Wildkatzen breiteten sich zuletzt im Harz, im Kyffhäuser und im Schwarzwald aus. Experten schätzen ihre Zahl auf bis zu 500 Tiere.

Die Wölfe wandern auf jahrhundertealten Wildtierpfaden von Osteuropa zu uns, vermutete der kürzlich verstorbene Wolfs-Forscher Erik Zimen. Experten hatten bereits vor Jahren vorhergesagt, dass Wölfe und Elche bald die alten Wanderwege wieder entdecken werden.

Allen Rückkehrern ist gemeinsam, dass sie zumindest in Teilen Deutschlands heute so gute Lebensbedingungen vorfinden, wie es sie zuvor lange Zeit nicht gab. In einigen Mittelgebirgen und an der Elbe wurden große und vor allem zusammenhängende Flächen als Nationalparks oder Biosphären-Reservate ausgewiesen. Weitere Gebiete stehen unter Naturschutz.

Naturschützern gehen die Maßnahmen zum Schutz der Wildtiere dennoch nicht weit genug, sie verlangen von Bund und Ländern größere Anstrengungen. Dringend erforderlich sei ein „bundesweiter Verbund naturnaher Biotope“, um die langfristige Wiederansiedlung von Wildtieren zu ermöglichen, fordert der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). Der Umweltverband WWF verlangt, dass Schutzgebiete nicht länger durch Straßen und Eisenbahnschienen durchschnitten werden.

„Die Verkehrsplanung muss auf die Bedürfnisse der Wildtiere abgestimmt werden“, verlangen auch Artenschützer im Bundesamt für Naturschutz (BfN). Für Rothirsche, Wildschweine, Wölfe und Luchse müsse es „Korridore“ geben. Autobahn- und Eisenbahnbrücken sollten begrünt und den Tieren für ihre Wanderung angeboten werden.

Verändert hat sich vor allem auch die Aufnahmebereitschaft der Menschen. Wurde der letzte wild lebende Luchs im Harz vor rund hundert Jahren noch von mehreren Dorfgemeinschaften in einer Tage langen Jagd zu Tode gehetzt, so freuen sich die meisten Harzer heute über die Luchse als Bereicherung. Einige Landwirte, deren Schafe die Raubkatzen rissen, wurden schnell entschädigt. Selbst die zunächst skeptischen Jäger tragen das Auswilderungsprogramm inzwischen mit.

Außer dem Zuzug der lange Zeit verschwundenen Wildtiere beobachteten Biologen noch etwas anderes: Das Wild verlässt die Wälder und siedelt sich immer häufiger in den Städten an. Waschbären, Wildschweine und Füchse, Falken und Uhus zieht es in Stadtparks oder Hinterhöfe, weil es sich hier leichter jagen lässt.

Die Menschen werden von diesen Tieren offenbar kaum noch als Feinde betrachtet. Seit einigen Jahren fallen Wildschweinrotten nachts immer wieder in südniedersächsische Dörfer ein. Die Bachen und Keiler suhlen sich stundenlang in den Vorgärten, zerstören Zäune und drückten einmal sogar die Glastür eines Friseurgeschäfts ein. Von den durch den Lärm geweckten Nachbarn ließen sich die Wildschweine bei ihrem Treiben nicht weiter stören.