Die Jürgen E. Welt AG ist am Ende

DaimlerChrysler-Chef Schrempp gilt trotz mancher Erfolge als „größter Geldvernichter“ der Firmengeschichte

VON KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„Prof. Jürgen E. Schrempp (60) scheidet zum 31. Dezember 2005 aus dem Unternehmen aus“, heißt es kurz und bündig in einer Presseerklärung der DaimlerChrysler AG von gestern. Der Aufsichtsrat sei sich mit Schrempp darüber „einig gewesen“, dass Ende 2005 der „optimale Zeitpunkt“ für einen Wechsel an der Spitze des Unternehmens gekommen sei. Nur ein gutes Jahr zuvor war sich der Aufsichtsrat noch mit Schrempp darüber „einig“ gewesen, den Arbeitsvertrag mit ihm bis Ende 2008 zu verlängern.

Kein Wort des Dankes nach zehn Jahren an der Konzernspitze, nicht einmal eine der üblichen Floskeln. Und wenig später sagte ein Konzernsprecher, Schrempp „verzichte“ auf weitere Bezüge, die ihm vertraglich bis zum Jahr 2008 zugestanden hätten. Er wies zudem darauf hin, dass Schrempp freiwillig gehe. Für den konfliktfreudigen Lenker der „Welt AG“, zu dem er sein Unternehmen ausbauen wollte, ein geradezu absurder Abgang – und für ihn ein teurer dazu: Ein Jahresgehalt läge je nach Schätzungen zwischen 5 und 12 Millionen Euro.

Überraschung also in Stuttgart und in Auburn Hills in Michigan, USA. Insbesondere auch deshalb, weil der Aufsichtsrat diverse Rücktrittsangebote von Schrempp, etwa nach der Pleite der Konzerntochter Fokker (geschätzte Gesamtkosten 5,5 Milliarden D-Mark) oder während der Krise um den zum Konzern gehörenden japanischen Autobauer Mitsubishi, erst 2004 immer ohne Gegenstimmen schroff abgelehnt hatte.

Um aber das Maß an aktuellen Bösartigkeiten gegenüber Schrempp voll zu machen, ernannte der Aufsichtsrat den Chryslersanierer Dieter Zetsche (52), seit dem Desaster mit Mitsubishi ein Intimfeind von Schrempp, zu seinem Nachfolger. Chryslerchef Zetsche hatte es im April 2004 gewagt, sich gegen eine von Schrempp beantragte erneute Kapitalerhöhung für den angeschlagenen japanischen Autobauer zu stemmen.

War das der Anfang vom Ende der Karriere von Schrempp an der Spitze von DaimlerChrysler? Oder gibt es einen aktuellen – noch nicht bekannt gewordenen – Anlass für die Demission? Kritiker jedenfalls nannten Schrempp schon lang vorher den „größten Geldvernichter in der Geschichte des Konzerns“; und mit Konzern ist in diesem Fall das Unternehmen auch schon vor der Fusion mit Chrysler 1998 gemeint. Dramatisch aber wurde es in den letzten fünf Jahren. Der Aktienkurs von knapp 100 Euro brach auf weniger als die Hälfte ein, der Börsenwert sank mehr als 40 Milliarden Euro.

Schrempp forcierte angesichts teurer Fehlentscheidungen (siehe Kasten) die „Konsolidierung“ des Daimler-Reichs. Das ging dann zu Lasten der Beschäftigten, die neben Stellenabbau auch längere Arbeitszeiten und den Abbau von Zulagen hinnehmen mussten. Der Konzern hat derzeit etwa 180.000 Beschäftigte in Deutschland und 380.000 weltweit.

War Schrempp also fällig? Analysten an der Börse in Frankfurt glauben: „Überfällig!“ Da half auch nicht mehr, dass er in den ersten Jahren viel Anerkennung bekam für die Sanierung des Konzerns: Er hatte 1995 von Edzard Reuter einen Rekordverlust von 5,7 Milliarden Euro übernommen. Er reduzierte die Geschäftsfelder von 33 auf 12 und sicherte durch geschickte Verkäufe samt Verlustvortrag, dass das wieder profitable Daimler-Konglomerat jahrelang keine Gewinnsteuern zahlen musste.

Trotz eines gestern gemeldeten Quartalsgewinns von 1,7 Milliarden Euro kam das einzige Lob für Schrempp ausgerechnet aus dem Konzernbetriebsratsbüro. Schrempp soll sich „immer zum deutschen Mitbestimmungsmodell bekannt“ haben. „Konfliktfrei“ sei die Zusammenarbeit zwar nie gewesen, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erich Klemm. Doch der „Wille zur Verständigung und zum Ausgleich der Interessen“ sei bei Schrempp immer vorhanden gewesen. „Auf sein Wort war in jeder Situation Verlass.“