SPD geht auf Distanz zu Sarrazin

MIGRANTENKRITIK Parteichef Müller bezeichnet Aussagen des Exsenators als völligen Fehlgriff

Die Luft wird dünn für Thilo Sarrazin. Nach den umstrittenen Äußerungen des Bundesbank-Vorstands und Exfinanzsenators über Migranten geht nun auch SPD-Landeschef Michael Müller auf Distanz. „Ich habe keinerlei Verständnis für die Äußerungen von Thilo Sarrazin“, sagte Müller am Montag. „Das Interview ist ein völliger Fehlgriff.“

In einem Interview in der Zeitschrift Lettre International hatte Sarrazin gesagt, eine große Zahl an Arabern und Türken in Berlin habe keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel. Er meinte auch: „Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: Durch eine höhere Geburtenrate.“

Sarrazin selbst geht inzwischen auf Tauchkurs. Während eines Vortrags weigerte er sich am Montag, zu seinen Äußerungen Stellung zu nehmen. „Sie können mich alle noch so erwartungsvoll angucken. Ich halte eine Rede, und dann fahre ich nach Frankfurt“, sagte Sarrazin.

In der Frankfurter Bundesbank-Zentrale steht für Dienstag ein Termin mit Bundesbankchef Axel Weber im Kalender. In ungewöhnlich scharfer Form hatte sich der am Rande des IWF-Kongresses in Istanbul von Sarrazin distanziert und ihm indirekt den Rücktritt nahegelegt.

Neben der Staatsanwaltschaft, die den Anfangsverdacht der Volksverhetzung prüft, muss sich ab nächster Woche auch die Schiedskommission von Sarrazins SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf mit dem Thema befassen. Es wurde ein Parteiausschluss beantragt.

Christian Gaebler, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD im Abgeordnetenhaus, betont, dass es neben einem Parteiverfahren wichtig sei, sich politisch mit der Causa Sarrazin auseinanderzusetzen. „Diese menschenverachtende Redeweise ist nicht mit den Grundsätzen der SPD vereinbar“, sagte Gaebler. „Sarrazin muss sich fragen, ob er noch auf dem Boden der SPD steht und denkt.“ UWE RADA