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Der Badengegangene

Die Laternen stehen knietief im Wasser, werfen einen fahlen Schein auf gestapelte Sandsäcke. Stege als abendlicher Treffpunkt, dort wo sich sonst Autos über Kopfsteinpflaster quälen. Die Stimmung: „gesellig und schön“.

So beschreibt Klaus Lehmann aus Hitzacker seine Erinnerungen an das „Jahrhunderthochwasser“ der Elbe von 2002, das sich in diesen Tagen zum zehnten Mal jährt. „Wir haben alle die Bilder aus Dresden von der gewaltigen Elbe gesehen, hatten aber fünf Tage Zeit, uns vorzubereiten“, sagt der Museumsleiter des Alten Zollhauses.

Für ihn war Wasser nie etwas Bedrohliches – als Kind wuchs er in München damit auf. Und so zog er sich 2002 als erstes seine Badehose an. „Das waren entspannte Bahnen, die ich einmal halb um die Insel gezogen bin“, sagt der ehemalige Lehrer. Er kam nach dem Studium in Lüneburg her, unterrichtete 24 Jahre an der Hauptschule. Seit 2001 ist er pensioniert, seit 16 Jahren leitet er ehrenamtlich das Museum.

Um das Museumsarchiv zu schützen, hieften sie es aus dem Kellergewölbe des spätmittelalterlichen Herrschaftshauses in den ersten Stock. Der Pegel erreichte 7,51 Meter, doch Überschwemmungen ist man in diesem Bereich der Elbe gewöhnt.

Nach seiner Arbeit fuhr er im Kanu nach Haus. Auch dort hinterließ das Wasser Schäden, der Fußboden musste herausgenommen werden. „Auf einmal lag da ein Bartmannskrug aus 1670“, erinnert sich Lehmann. „Ein Schatz, direkt unter dem Küchenboden. Am liebsten hätten die Nachbarn mich rausgeschmissen, weil ich auch bei ihnen immer tiefer buddeln wollte“, sagt er. Die Fundstücke sind im Museum ausgestellt.

Für den neuen Hochwasserschutz, der in Form einer 1,20 Meter hohen Mauer um die Insel gezogen wurde, ist er dankbar. Denn 2006 und 2011 stieg das Wasser sogar noch höher als 2002. „Für mich war das damals alles ein riesen Abenteuer“, sagt der 65-Jährige, „ aber ich kann verstehen, wenn sich andere bedroht gefühlt haben. Mir ging es die Jahre danach auch so.“  ARS

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