Vergangenheit nicht umschreiben

betr.: „Schüler werden privatisiert“, „Keine Zukunft ohne Bares“, Kommentar von Peter Ortmann, taz nrw vom 28.7.2005Sie schreiben unter anderem über das Verhältnis staatlicher und privater Schulen. [...] Ich kann mich an jene Vergangenheit noch deutlich erinnern, und deshalb möchte ich Ihnen widersprechen: in den 60er Jahren waren viele staatlichen Schulen, z.B. in Hamburg, sehr gut, übrigens auch sehr liberal, und private Schulen waren als „Pressen“ bekannt, auf welche reiche Eltern ihre lernunwilligen Kinder schickten, damit sie trotz Mangel an Eignung das Abitur noch reingepresst bekamen. Man war damals in bestimmten Kreisen der Meinung, auch dem dümmsten oder faulsten Rechtsanwalts-, Arzt- oder Unternehmersohn stünde der Zugang zum Akademikerstatus einfach qua Geburtsrecht zu, unabhängig von solchen Trivialitäten wie Begabung, Leistung oder Können. Und für diese Fälle gab es die teuren Privatschulen, die begabte Schüler nicht nötig hatten, und Normalverdiener sich nicht leisten konnten.

So sah die Vergangenheit aus, als die Hamburger und Schleswig-Holsteinischen Schüler noch einen Bonuspunkt von der ZVS bekamen, weil dort das Abitur so viel strenger und die Beurteilung so viel schärfer war als etwa in Bayern. Seitdem hat sich vieles geändert, und ich kann nicht beurteilen, ob die norddeutschen Schulen relativ schlechter geworden sind, oder ob die derzeit angesagte, stark am angelsächsischen Vorbild orientierte Zeitgeist der Medien verlangt, dass alles privatrechtlich organisierte soviel besser sein soll, als die staatliche Konkurrenz (cf. British Waterworks und British Rail for the consequences, but facts do not really matter, where Zeitgeist dictates). Aber deshalb braucht man doch nicht gleich die Vergangenheit umzuschreiben. ANDREAS THOMSEN, Essen