Rassismus wird verboten

Ein paar braune Flecken sollen aus Bremens Landesverfassung getilgt werden. Vor allem aber soll sie wehrhafter werden gegen menschenfeindliche Hetze

Rassismus wird noch an vielen Stellen beklagt, so auch bei den Protesten gegen die Erstaufnahmestelle in Vegesack. Wenigstens aus der Verfassung wird er aber nun getilgt Foto: Hannes von der Fecht

VonBenno Schirrmeister

Bremens Landesverfassung ist renovierungsbedürftig. Darüber herrscht weitgehend Einigkeit, und heute wird die Bürgerschaft zwei entsprechende Entwürfe in den Ausschuss verweisen.

In ihrem Antrag schlägt die rot-grün-rote Koalition vor, den in ihr verankerten Kinderrechten auch eine aktive Dimension zu verleihen, den mittlerweile als leer und wahnhaft erkannten Begriff „Rasse“ aus ihr zu streichen und die Einschränkung des Rechts auf ein menschenwürdiges Dasein zu beenden: Das gesteht die Präambel nämlich nur „Arbeitswilligen“ zu. „Diese Änderungen drücken unseren Anspruch und unsere Grundhaltung aus“, erläutert die Vorsitzende der Linksfraktion, Sofia Leonidakis, das Vorhaben.

Wie nötig das ist, lässt sich am Ausdruck von den „Arbeitswilligen“ gut ablesen. In Landesverfassungsvater Theodor Spittas Erstling von 1920 fehlt der noch: Manchmal schlägt eben doch auch im aktuellen Text durch, dass der Deutschliberale der Bremer NS-Verwaltung lange und treue Dienste geleistet, Propagandaschriften zum Führerbesuch verfasst und in seinem Tagebuch Hitler gehuldigt hat (siehe Kasten). Man könnte also davon sprechen, dass braune Flecken aus dem Bremer Staatsrecht getilgt werden, aber „den Ausdruck lehne ich zumindest im Blick auf unsere Landesverfassung ab“, sagt Rechtspolitikerin Sascha Aulepp (SPD).

Richtig hingegen sei, dass die Verfassung „immer der Gegenwart angepasst werden muss, weil sie ja auch in der Gegenwart gelesen wird“. Insbesondere fordern die drei Fraktionen, wie zuvor schon die CDU in einem eigenen Antrag, die Idee einer wehrhaften Demokratie im Gesetzestext verankern.

Künftig nämlich soll der Kampf gegen die Versuche, NS-Gedankenunrat wiederzubeleben, als „Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Verantwortung jedes Einzelnen“ in der bremischen Landesverfassung festgeschrieben sein – und namentlich auf jeden Fall der Kampf gegen antisemitische und rassistische Aktivitäten. Die rot-grün-rote Koalition will dazu noch „weitere menschenverachtende Hetze“ brandmarken.

Letzteres ist der CDU ein zu schwammiger Begriff. „Das heißt natürlich nicht, dass wir so ein Verhalten goutieren würden“, sagt deren rechtspolitischer Sprecher Thomas von Bruch. Aber anders als Rassismus und Antisemitismus sei das „nicht hinreichend bestimmt“. Und je größer der interpretative Spielraum, desto wahrscheinlicher seine Kollision mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit, „das wir ja gerade schützen wollen“, so von Bruch. Einen grundsätzlichen Konflikt mit der Koalition gebe es aber nicht: „Wir haben ein wichtiges gemeinsames Anliegen“, sagt er, nämlich, „dass wir dem, was sich am rechten Rand unserer Gesellschaft entwickelt, entgegentreten müssen“.

Theodor Spitta wird in Bremen in Ehren gehalten. Blicke in sein Tagebuch helfen, diese falsche Bewertung zu korrigieren.

Am 27 Dezember 1944 hofft er auf den Sieg, ist aber voll Sorge: Nie verlasse ihn „der Gedanke an den Kampf auf Leben und Tod, in dem unser Volk steht. Wir sind und bleiben in ständiger Spannung, ob es unserer Wehrmacht [...] gelingen wird, das Verhängnis abzuwenden [...]“

Am 28. April 1945 wünscht er inständig, „daß der Führer nicht lebend in die Hand der Feinde fällt und diese letzte Schmach Deutschland erspart bleibt“.

Am 1. Mai widmet er Hitler einen warmherzigen Nachruf, in dem er bedauert, dass aus der „Austilgung des Judentums“ nichts geworden und nun „das Judentum überall zu großem Einfluß“ gekommen sei.

In dem Sinne fasst auch Kai Wargalla von den Grünen den neuen Passus auf: „Wir reagieren damit auf die Anschläge, die schrecklichen Taten von Hanau, darauf, dass die rechte Gewalt da ist“, sagt sie. Für unbestimmt hält sie den Begriff der menschenverachtenden Hetze nicht: „Da gibt es ja höchstrichterliche Urteile“, sagt sie.

Man habe aber anders als die Union darauf verzichtet, das Eintreten gegen nationalsozialistisches Gedankengut bereits zur staatlichen Norm zu machen. Das wäre aus Koalitionssicht nämlich verfehlt: „Das würde auf die Gesinnung abzielen“, so Aulepp. Das Grundgesetz erlaube erst dann einen Eingriff, wenn Meinungsäußerungen „in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen“.

Keinen großen Diskussionsbedarf gibt es bei der Frage nach dem unseligen Begriff „Rasse“: Bis in die 1950er-Jahre war das eine etablierte Kategorie in Medizin und Humanwissenschaften. „Wir wissen heute, dass dieses biologistische Konzept falsch ist“, so Sofia Leonidakis. Das Wort sei dementsprechend zu tilgen.