IN DEUTSCHLAND FEHLT ES NICHT AN STRAFTATBESTÄNDEN GEGEN RECHTS
: Publicity für Neonazis

Das ging ja schnell. Kaum geriet am Donnerstag der Bundesgerichtshof in die Kritik, weil er die Grußformel „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ nicht als NS-Kennzeichen einstufte, da sprang heute das Bundesverfassungsgericht in die Bresche und rettete das Antifa-Image der Karlsruher Juristen. Es akzeptierte die Verurteilung eines Rep-Funktionärs, der Michel Friedman als „Zigeunerjuden“ tituliert hatte.

Zwingend war das nicht. Auch wenn „Jude“ und „Zigeuner“ zu NS-Zeiten Schimpfworte waren, sollten solche Kategorien heute keine abwertende Bedeutung mehr haben. Und wenn schon die Einzelbestandteile nicht beleidigend sind, dann sollte die abstruse Verbindung „Zigeunerjude“ auch nicht strafbar sein. Doch das Landgericht Kempten sah dies anders und erhielt nun auch die Billigung aus Karlsruhe. „Zigeunerjude“ klinge irgendwie nach NS-Propaganda und sei daher eine Beleidigung.

Dem BGH hatte am Tag zuvor ein solches „irgendwie“ gerade nicht genügt. Zwar klinge die „Ruhm und Ehre“-Formel irgendwie nach „Blut und Ehre“ und Faschismus, doch sei sie eben weder eine Original-NS-Parole noch einer solchen zum Verwechseln ähnlich. Auch für Rechte gilt beim BGH der Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz“.

Dabei stehen beide Urteile nicht einmal im Widerspruch zueinander. Die Beleidigung ist eben ein weiter, fast schon uferloser Tatbestand, der die Ehre konkreter Personen, also ein hochrangiges Rechtsgut, schützt. Dagegen ist das Verwenden von NS-Kennzeichen im Strafgesetzbuch viel präziser beschrieben und zielt nur auf den Schutz der öffentlichen Ordnung, weil eben niemand konkret angesprochen wird. Inzwischen mangelt es in Deutschland ohnehin nicht mehr an Straftatbeständen gegen rechts. Die Leugnung des Holocaust ist verboten, seit Mai auch die Verherrlichung der NS-Gewaltherrschaft. Doch das ständige Schielen nach dem Strafrecht ist kontraproduktiv. Braune Terminologie wie „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ steht heute meist deshalb in der Zeitung, weil man strafrechtlich dagegen vorgehen will. Diese Publicity ist völlig unnötig. CHRISTIAN RATH