Guinea-Bissau übt die Rolle rückwärts

Das kleine westafrikanische Land wählt nach Jahren des Chaos seinen allerersten Präsidenten wieder an die Macht

COTONOU taz ■ Vieles erinnert in Guinea-Bissau an die Vergangenheit. Der zerschossene Panzer auf der Flughafenstraße steht als Zeugnis für den Bürgerkrieg Ende der 90er-Jahre, die einstürzenden roten Ziegeldächer in der Altstadt an die portugiesische Kolonialvergangenheit. Und seit Donnerstag haben die 1,3 Millionen Einwohner Guinea-Bissaus auch einen Präsidenten von früher. João Bernardo Vieira, genannt Nino, der nach der Unabhängigkeit 1975 fast zwei Jahrzehnte lang regierte, hat bei der Stichwahl zum Präsidentenamt vom 24. Juli nach Angaben der Wahlkommission 52 Prozent der Stimmen erhalten. So kehrt nun ein Herrscher zurück an die Macht, dessen Amtszeit Guinea-Bissau genau in die Krise stürzte, von der es sich jetzt erholen will.

„Wir hoffen, dass Vieira sich gewandelt hat und demokratischer regiert als unter seiner ersten Herrschaft“, sagt David Vera Cruz vom Zusammenschluss der Nichtregierungsorganisationen in Guinea-Bissau gegenüber der taz. Noch bis April lebte der 67-jährige Nino Vieira im Exil in Portugal. Erst zur Wahlkampf kehrte er in sein Heimatland zurück und pries sich selbst als das Geschenk Gottes an sein Land.

Die Wahl gilt als Wegweiser für eine friedliche Zukunft des Landes. Zwar gestand die Verliererseite die Niederlage nicht ein, aber vor der Wahl hatten beide Kandidaten versprochen, das Ergebnis anzuerkennen.

Guinea-Bissau hat eine lange Geschichte politisch motivierter Gewalt. In den vergangenen acht Jahren erlebten die Menschen einen Bürgerkrieg und zwei Staatsstreiche. Die spärliche Infrastruktur wurde zerstört, unter dem letzten gewählten Präsidenten Kumba Yala (2000–03) ging dann gar nichts mehr. Beamte erhielten keinen Lohn, öffentliche Einrichtungen hörten auf zu funktionieren. Als das Militär 2003 putschte, atmeten die Menschen auf. Doch bis heute fließt in der Hauptstadt Bissau kein öffentlicher Strom, die meisten Häuser sind verfallen. Zuletzt brach auch noch eine der schwersten Cholera-Epidemie seit langem aus.

Jetzt bedürfte es der Zusammenarbeit zwischen Premierminister und Präsident, um die Probleme des Landes anzugehen. Das heißt zugleich eine Aussöhnung zwischen den rivalisierenden ethnischen und gesellschaftlichen Gruppen. Aber schon mit der Wahl waren die Aussichten darauf schlecht. Der Premierminister kündigte seinen Rücktritt für den Fall an, dass Nino Vieira die Wahlen gewinnt, „weil ich nicht mit einem Banditen und Söldner arbeiten kann, der seine eigene Nation verraten hat“. Seine Partei stellt nach wie vor die Mehrheit im Parlament.

Mit der Wahl von Nino Vieira verschiebt sich auch die Machtbalance in der Region. Guinea-Bissau liegt neben Senegals Südprovinz Casamance, wo seit Jahrzehnten ein separatistischer Aufstand schwelt. Der währte unter anderem auch deshalb so lange, weil die Rebellen sich ungehindert nach Guinea-Bissau zurückziehen konnten. Als Vieira sich Senegals Regierung annäherte und die Rückzugsbasen austrocknen wollte, wurde er 1998 von der eigenen Armee gestürzt, obwohl senegalesische Eingreiftruppen an der Spitze einer westafrikanischen Streitmacht Vieira zu Hilfe eilten. Die per Intervention eingesetzten späteren Regierungen arbeiteten eng mit Senegal zusammen. Seither hat die Intensität des Casamance-Aufstands beträchtlich abgenommen. Dennoch bleibt ein endgültiger Frieden aus.

HAKEEM JIMO