„Koschersiegel für Terroranschläge“

Weil Papst Benedikt XVI. in einer Ansprache vieler Terroropfer gedachte, nur nicht der israelischen, sind die Beziehungen zwischen Vatikan und Israel dreieinhalb Monate nach dem Tod Johannes Pauls II. auf einem neuen Tiefpunkt angelangt

Radiomoderatorin Irit Linur nennt den Papst „Obersturmbann-führer Benediktus“

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Gut drei Monate nach dem Amtsantritt von Papst Benedikt XVI. kommt es zu einem ersten Eklat zwischen dem Vatikan und dem Judenstaat. Einer Erklärung zufolge will sich der Papst hinsichtlich des Tons und Inhalts seiner Stellungnahmen „keine Vorschriften machen lassen“. Schließlich lasse man sich auch in Jerusalem nichts diktieren.

In Rom reagierte man damit auf die Kritik aus dem israelischen Außenministerium auf die vergangene Sonntagsansprache des Papstes. In seiner Rede hatte der Papst zwar die Terrorattentate im ägyptischen Scharm al-Scheich, in der Türkei, im Irak und in London erwähnt, den Anschlag in der israelischen Stadt Netanja, bei dem Mitte Juli sechs Menschen ermordet wurden, indes unerwähnt gelassen.

Das Ignorieren des Papstes „schreit zum Himmel“, zitierte die auflagenstärkste Tageszeitung Yediot Achronot einen Beamten des Außenministeriums in Jerusalem. Abgesehen vom „moralischen Fehlverhalten“ könne das Nicht-Erwähnen Israels als „Koschersiegel für die gegen Juden gerichteten Terroranschläge interpretiert werden“. Das Außenamt bestellte den apostolischen Nuntius ein, um dem Unmut offiziell kundzutun.

„Aus mehreren Gründen“, so heißt es in der jüngsten Erklärung aus Rom, könne „nicht jeder Anschlag gegen Israel erwähnt werden“. Zudem seien die israelischen Reaktionen „nicht immer mit dem internationalen Recht vereinbar“, man könne nicht das eine verurteilen und das andere unerwähnt lassen.

Die ungewöhnlich scharfe Reaktion auf die israelische Kritik ist Wasser auf die Mühlen derer, die schon zu Beginn der Amtszeit von Benedikt XVI. Zweifel hinsichtlich seiner Herkunft, vor allem mit Blick auf sein Verhalten während der NS-Diktatur, laut werden ließen. Vom „Obersturmbannführer Benediktus“, sprach die populäre Radiomoderatorin Irit Linur und ging damit noch über die damaligen Schlagzeilen der britischen Boulevardpresse vom „Hitlerjungen“ Ratzinger hinaus.

Rückendeckung erreichte den neuen Chef der Katholiken von Seiten des ehemaligen Oberrabbiners Meir Lau, der selbst Holocaust-Überlebender ist und enge Kontakte zum im April verstorbenen Papst Johannes Paul II. unterhielt. Lau appellierte, Benedikt XVI. eine neue Chance zu geben. „Ich bin noch immer bereit, ihm einen Vertrauensvorschuss zu gewähren, anstatt ihn zu unserem Feind zu machen“, meinte Lau. Der neue Papst habe „niemals eine Tendenz zum Rassismus“ gezeigt. Gerade die Tatsache, dass er Deutscher ist, „macht ihm antisemitische Äußerungen unmöglich“.

Die eisigen Beziehungen zwischen dem Vatikan und Israel waren vor fünf Jahren deutlich aufgetaut, als Papst Johannes Paul II. als erster Papst, der Israel anerkannte, den Judenstaat besuchte. 1964 war Papst Paul VI. nach Israel gereist, ohne jedoch nach Jerusalem zu fahren.

Papst Johannes Paul II. gab im Rahmen seines Besuchs 2000 in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem seiner Trauer Ausdruck über die „Tragödie, die die Juden erleiden mussten“. Gleichzeitig rief er zur Versöhnung zwischen den Religionen auf. „Das jüdische Volk wird sich an ihn als jemanden erinnern, der den Mut hatte, einer historischen Ungerechtigkeit ein Ende zu machen“, formulierte der israelische Staatspräsident Mosche Katzaw.