Ruck in Vorpommern

ORTSTERMIN Mit einer Menschenkette protestieren Pasewalker und Gäste gegen das NPD-Pressefest

Es ist der Tag, an dem ein „Mythos“ bröckeln sollte, der Mythos von der „national befreiten Zone“, wie Neonazis die Region Vorpommern gern nennen. In dem Dorf Viereck bei Pasewalk veranstaltet das NPD-Parteiorgan Deutsche Stimme sein „Pressefest“, zu dem in der Vergangenheit Tausende Neonazis aus der gesamten Republik anreisten. Nun hat sich ein breites lokales Aktionsbündnis dagegen aufgestellt. Die Bewohner hätten genug vom braunen Image der Region, so die Initiatoren – mit einer „Demokratiemeile“ und einer Menschenkette von Pasewalk ins vier Kilometer entfernte Viereck wolle man das beweisen.

Am Treffpunkt für die Menschenkette wartet Jessica auf ihre Mitschüler. Acht sind bislang aufgetaucht. Acht von 400 Schülern. Sie hofft auf 15. Ein paar Nazis gäbe es auch auf ihrem Gymnasium. In der Schule verhielten die sich unauffällig. „Online toben die sich dann richtig aus“, sagt Jessica.

Die Straße nach Viereck ist gesäumt von bunten Plakaten. Aus Boxen schallen Techno, Dancehall, politische Klampfenmusik. Die Besucher des Pressefests müssen hier mit dem Auto vorbei. Die Neonazis verschanzen sich hinter Sonnenbrillen. Aus dem benachbarten Anklam sind zwei Busse mit Gegendemonstranten gekommen. „Es heißt, hier bei uns sei ein braunes Nest“, sagt eine Frau. „Dabei sind das ja Wessis, die hierhergekommen sind und dann die Jugendlichen verführen, die keine Arbeit und keine Perspektive haben.“ Gegen halb zwei formiert sich die Menschenkette, ganz ohne Megafon-Ansagen.

Es sind nicht genügend Menschen gekommen, um die Kette von Pasewalk bis Viereck lückenlos zu schließen. Auf etwa eineinhalb Kilometern säumen Menschen die Straße. Hier fährt Pasewalks Bürgermeister Dambach mit einer Fahrradrikscha vorbei. „Wir sind jetzt nicht mehr allein“, genießt er den kleinen Triumph.

Auf dem letzten Kilometer vor Viereck dagegen, der polizeibewachten Pufferzone, wird es leer und still. Über dem festungsähnlichen Gelände aus weißen Zeltplanen künden die Reichskriegsflagge und die pommersche Flagge mit dem Greifenadler vom „nationalen Leuchtturm“. In den Zelten eine Phalanx aus Glatzen und Bierbäuchen. Der NPD-Vorsitzende Holger Apfel wirkt matt. Er schwadroniert über Volkstod und Islamexpansion.

Am späten Nachmittag hat sich die Straße von Viereck nach Pasewalk schon wieder geleert. Die Demokraten haben sich zum Stadtfest zurückgezogen. Im Direktvergleich der Mobilisierung gewinnt das Anti-Nazi-Aktionsbündnis: 2.000 Teilnehmer an der Menschenkette gegen 1.000 Neonazis. Es war ein kurzes, aber heftiges Rütteln am braunen Leuchtturm. NANCY WALDMANN