WIE HERAUSFORDERND DER ERWERB EINES KÜCHENTISCHS SEIN KANN
: Makabre Umweltbilanz

Nebensachen aus Paris

VON RUDOLF BALMER

Unser Küchentisch musste nach langen treuen Diensten, die ihre Spuren auf der dünnen Holzschicht hinterlassen hatten, ersetzt werden. So hatte das der Familienrat einstimmig beschlossen. Das Geschäft, in dem wir das Möbelstück einst erworben hatten, existiert längst nicht mehr. Auch im benachbarten Warenhaus, das seine Möbelabteilung in Showrooms der Luxusindustrie verwandelt hat, findet sich nichts Passendes.

Wie der bisherige Tisch sollte unserer Wunschobjekt ganz simpel sein und 105 mal 65 mal 75 Zentimeter messen. Das sind offenbar keine Standardmaße, wie wir beim Durchblättern der Onlinekataloge schnell merkten. Überhaupt sieht eine zeitgemäße Küche ganz anders aus als bei uns: Alles ist integriert und glänzt in Stahl, Glas oder pflegeleichtem Kunststoff. Geboten werden vor allem ganze Kombinationen. Für unsere Sucheingabe im Internet aber lautete die Antwort: null. Natürlich gäbe es Campingtischchen aus Plastik mit vier Stühlen zum Schlagerpreis oder auch prächtige Esstische aus Tropenholz. Wir suchen weiter.

Hinter dem Bastille-Platz, wo seit Revolutionszeiten die Möbelschreiner waren, erstreckt sich jetzt das Hauptquartier des Designs. Wer da einen hundsgemeinen Küchentisch aus poliertem Holz verlangt, wird fast schief angeschaut. Wir erinnern uns, dass es früher in Paris hieß, man finde alles in der „Samaritaine“, gleich neben dem Pont-Neuf. Das Warenhaus mit seiner Art-Déco-Architektur ist leider geschlossen und steht seit Jahren in Erwartung eines Umbaus in ein Luxushotel und Wohnungen leer. Also wieder nichts.

Ein fast verzweifelter letzter Versuch im Internet führte uns dann doch noch zum „Ziel“ – also zur französischen Ladenkette But. Ein einziger Tisch entspricht unseren Vorstellungen. Er ist aber nur in einer Zweigstelle in der Industriezone der westlichen Vorstadt Nanterre zu haben, wo wir mangels Zugang mit öffentlichen Verkehrsmittel mit dem Auto hinfahren müssen. Wir nehmen den glücklich erstandenen Tisch gleich mit.

Beim Zusammenbasteln stellt sich sogleich heraus, dass vier unentbehrliche Teile fehlen! Einzelne Komponenten werden laut Hotline nicht nachgeliefert, also geht die Fahrt nochmals hin und zurück. Macht insgesamt laut Fahrstreckenplaner mindestens viermal 16 Kilometer und einen Benzinverbrauch von 6 Litern. Grund genug für ein wenig schlechtes Gewissen für so viel Belastung des Klimas wegen eines simplen Tischs.