Einsame Party

Die Montagsdemos gegen die Hartz-Reformen der Bundesregierung feiern ihren einjährigen Geburtstag. Doch der Protest hat sich von der Straße in die Parteipolitik verlagert

VON SUSANNE GANNOTT
UND KLAUS JANSEN

Das nordrhein-westfälische Innenministerium hat irgendwann aufgehört, die Demonstranten wichtig zu nehmen. „Es lohnt sich nicht mehr, nachzuzählen“, sagt Sprecher Wolfgang Beus. Es sind nur noch wenige Menschen, die Woche für Woche gegen die Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung auf die Straße gehen. Doch immerhin: Heute feiern die Montagsdemonstranten in NRW ihr einjähriges Bestehen.

In knapp fünfzehn nordrhein-westfälischen Städten haben die Kundgebungen überlebt. „Die Teilnehmerzahlen schwanken zwischen 30 und 80 Menschen“, sagt Claus Ludwig, Mitbegründer der Kölner Montagsdemo. Zum Vergleich: Im September vergangenen Jahres kamen allein bei der landesweit größten Demonstration in Dortmund noch 3.000 Menschen zusammen. Ihr Ziele: Hartz IV kippen. Und den Arbeitssuchenden in Deutschland eine Stimme geben.

Zumindest ihr erstes Ziel haben die Demonstranten nicht erreicht: Hartz IV trat zu Jahresbeginn in Kraft. „Die Änderungen am Gesetz waren tatsächlich nur minimal“, räumt der Kölner Ludwig ein. Dennoch wertet er die Proteste als Erfolg: „Ohne unsere Bewegung wäre die Einigung der Linken in Deutschland wohl nicht zu Stande gekommen.“

Die Einigung der Linken? Tatsächlich hat ein großer Teil der Montagsdemonstranten die Straße verlassen und sich in die Parteipolitik gestürzt. Claus Ludwig sitzt für das Wahlbündnis „Gemeinsam gegen Sozialraub“ im Kölner Stadtrat, der Dortmunder Demo-Anmelder Martin Pausch war Mitbegründer der längst wieder vergessenen Splitterpartei „Freie Bürger für Soziale Gerechtigkeit“, und die Aktivisten der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) hofften, durch den Schwung der Montagsdemonstrationen der Einführung des Sozialismus näher zu kommen.

Und die Arbeitslosen? „Unser größter Erfolg war es, dass wir neue Kampfmethoden geschaffen haben“, sagt der Kölner Ratsherr Ludwig. Die offenen Mikrofone, die Diskussionsforen, die Medienpräsenz – Jobs geschaffen haben sie jedoch nicht. Viele Arbeitslose hat das enttäuscht: „Die meisten Demonstranten können die Probleme von Betroffenen wie mir nicht wirklich nachvollziehen. Für sie ist Armut nur ein politischer Kampfbegriff“, sagt die Kölner Arbeitslosengeld-II-Empfängerin Beate Baume.

Stimme der Arbeitslosen möchte nun vor allem die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) sein, die im Verbund mit der ehemaligen PDS vor dem Einzug in den Bundestag steht. „Die Montagsdemo-Bewegung hat uns Auftritt gegeben. Viele von uns machen auch heute noch mit“, sagt der nordrhein-westfälische WASG-Chef Wolfgang Zimmermann – genug Auftrieb, um die WASG auf 2,2 Prozent bei der NRW-Landtagswahl im Mai zu hieven und damit erst für Polit-Promis wie Oskar Lafontaine und Gregor Gysi attraktiv zu machen.

Auch im Bundestagswahlkampf kann die WASG auf die Unterstützung der Demonstranten zählen. „Wir weisen die Menschen darauf hin, wie wichtig ihre Wahlentscheidung sein wird“, sagt Manja Aschmoneit vom Düsseldorfer Sozialforum. Gut 20 Menschen bringt die Aktivistin noch wöchentlich vor dem Hauptbahnhof der Landesregierung zusammen. Ob ihre Gruppe den einjährigen Geburtstag besonders begehen wird, weiß sie noch nicht. Sicher ist aber: Auch nach der Bundestagswahl wird weiter demonstriert. Egal, wer dann in Berlin regiert.