Einträgliche Geschäfte

Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.

Das Geschäft boomt. Der Handel mit Rechtsrock und der Vertrieb von Szene-Accessoires bringt Geld in die Neonazi-Szene. Aber nicht nur das. Auch seine politische Relevanz wächst – finden doch gerade Jugendliche, die sich der Szene nähern, lange Parteisitzungen oder Theorie-Texte eher unattraktiv. Stattdessen finden sie in Rechtsrock-Songs die ideologischen Schlagwörter – während das Merchandising den einschlägigen Stil verbreitet.

Neben klassischen Grölliedern finden sich aktuelle Rock- und Popsongs im Angebot der Versände. Und neben Bomberjacke und Springerstiefeln gibt es längst andere rechte Dress-Codes. In den vergangen Wochen gingen staatliche Behörden in Lingen und Bremen zwar gegen den Vertrieb von „volksverhetzenden Tonträgern“ und Bekleidung mit „verfassungsfeindlichen Abzeichen“ vor. Doch lahm legen konnten sie die norddeutschen Vertriebe bis dato nicht. Auch der Bremer Versand „Heimdall-Shop“ ist wieder online.

Seit Jahren betreiben Rechte in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen das rechte Geschäft – Tendenz steigend. Im Internet bietet der „Nordversand“, aus Halstenbek, der „V7 / TVV-Versand“ aus Hamburg, der „Ruf des Nordens“, mit Kieler Postadresse, sowie der „H8store“ aus Stockelsdorf diverse Rechtsrock-CDs und rechte Bekleidungsmarken an –Tonträger von „Endstufe“ oder „Nordfront“ und Bekleidung wie von „Walhall“ oder „Sport Frei“. Kaum ein einschlägiger Versand, der nicht die CD „Die Lunikoff-Verschwörung“ anpriese. Ihr Sänger ist der Frontmann der als kriminelle Vereinigung verbotenen Band „Landser“. Ebenso verbreitet: Die Bekleidungsmarke „Thor Steinar“. Deren Marken-Inhaber musste kürzlich das Logo ändern: In ihm waren Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen zu erkennen.

„Von Skins für Skins“, so haben die Neonazis Michael und Hans G. mal ihr Geschäftsmotto benannt. Schon in den 1990er Jahren eröffneten sie zunächst in Hamburg, dann in Lüneburg den Szeneladen „Buy or die“, den Christian S. heute als „Temple of Football“ weiter führt. Ein Pendant in Wismar ist der „0815Store“. Die Kunden kommen, ebenso wie beim Hamburger Laden „Odin & Freya“, dessen Inhaber keine Neonazis sind, überwiegend aus der Neonazi- und Hooliganszene.

Die Geschäfte werden schnell zu Treffpunkten der Szene: Drücken schon die Marken die Gruppenzugehörigkeit aus, so ist der Besuch der Läden ein weiteres Gemeinschafts-Erlebnis. Man verabredet sich, erfährt den neuesten Tratsch und erfährt die Locations der Geheim-Konzerte. Als „Anlaufpunkt für Rechtsextremisten“ bewertet auch der Vize-Chef des Landes-Verfassungsschutzes, Manfred Murck, den Hamburger Laden „Elite Style“, der erst im Mai eröffnet hat.

„Dichtmachen!“ fordern in Lüneburg seit kurzem Antifa-Initiativen, die unter dem Motto „Schöner leben ohne Naziläden“ Info-Aktionen veranstalten. Sie beobachten, dass auch „unpolitische Käufer“ durch den Laden zur Szene gezogen werden. „Kein Verkauf von rechten Gesinnungsklamotten“, fordert auch der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs. Vor wenigen Tagen startete er eine Postkartenaktion: Adressat ist der Innensenator, der zum Handeln gegen den rechten Handel bewegt werden soll.