Gericht reist nicht nach Polen

Im Prozess gegen den Ex-KZ-Wachmann nimmt das Hamburger Landgericht den Tatort nicht in Augenschein

Im Prozess gegen einen ehemaligen Wachmann im KZ Stutthof wird das Hamburger Landgericht den Tatort bei Danzig im heutigen Polen nicht in Augenschein nehmen. Die Strafkammer habe einen entsprechenden Antrag der Nebenklagevertreter am Dienstag abgelehnt, sagte ein Gerichtssprecher.

Die Antragsteller hatten argumentiert, das Gericht müsse sich einen Eindruck verschaffen, was die SS-Wachmänner damals von der Gaskammer, dem Krematorium, dem Galgen und den unmenschlichen Bedingungen mitbekommen konnten.

Die Strafkammer erklärte jedoch, das Lager sei heute eine Gedenkstätte, dessen Elemente teilweise rekonstruiert seien. Große Teile des ehemaligen Lagergeländes seien überwaldet. Ein nur ungefährer Eindruck wäre nicht hilfreich. Zudem habe der Angeklagte die Gaskammer und das Krematorium nicht in Abrede gestellt und ausgesagt, dass er eine Hinrichtung beobachtet habe.

Dem 93 Jahre alten Angeklagten wird Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen vorgeworfen. Durch seinen Wachdienst in dem KZ bei Danzig von August 1944 bis April 1945 soll er „die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt“ haben.

Einen Antrag des Verteidigers, das Verfahren wegen der Corona-Krise auszusetzen, hatte die Strafkammer Anfang vergangener Woche abgelehnt, wie der Gerichtssprecher sagte. Eine Beschwerde dagegen wies das Oberlandesgericht als unzulässig zurück.

Der Angeklagte wurde am Dienstag von Sanitätern ins Gerichtsgebäude gebracht. Er trug wie sein Verteidiger einen Mundschutz und Gummihandschuhe. Nach etwa einer Viertelstunde erklärte der 93-Jährige nach Angabe des Sprechers, er könne durch die Maske nicht gut atmen.

Die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring ordnete nach Beratung mit einem Arzt an, dass der Angeklagte die Maske abnehmen dürfe. Dafür benutzten nun auch die Richter wie alle anderen Anwesenden im Saal einen Mundschutz. Der Prozess soll am 23. April fortgesetzt werden. (dpa)