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Music – Madness – Manowar!

Wie ich mal bei einem Heavy-Metal-Festival backstage war und einen Doktor traf

„Mit diesem Pass haben Sie Zugang zum Backstagebereich.“ Die Dame am VIP-Check-in wünscht uns viel Spaß. Stolz betrachten mein Fotograf Max und ich die coolen „Access All Areas“-Pässe – so was Tolles hatten wir noch nie. Wir sind Gäste auf dem Heavy-Metal-Festival „Earthshaker 2005“ in Geiselwind bei Nürnberg.

Vor ein paar Wochen hatte ich erfahren, dass der großartige, gottgleiche und anbetungswürdige Schauspieler Christopher Lee bei diesem Festival einen gemeinsamen Liveauftritt mit der weltberühmten Heavy-Metal-Band Manowar geplant hatte und das wollte ich selbstverständlich gerne sehen. Allerdings hatte ich von Heavy Metal ungefähr so viel Ahnung wie ein durchschnittliches Nilpferd von Quantenphysik und den Namen „Manowar“ konnte ich nur schwammig mit einem legendären Rennpferd von früher in Verbindung bringen.

Also hurtig zwei Manowar-DVDs besorgt, im Rocklexikon nachgelesen und Bildergoogle befragt – und schon hatte ich beschlossen, dass ich ab jetzt Manowar-Fan sei. Die Musik fand ich zwar nur so mittel, aber daran wollte ich mich noch gewöhnen. Namen, Gesichter und Funktion der vier martialisch aussehenden Männer mit den langen Haaren und den Lederklamotten lernte ich auswendig und Kollege Max musste mich regelmäßig abfragen: Joey DeMaio = Chef und Bassist, Scott Columbus = Drummer, Eric Adams = Sänger, Karl Logan = Gitarrist. Und außerdem kaufte ich mir ein Nietenarmband, um am großen Tag angemessen gekleidet zu sein. Jetzt konnte also nichts mehr schief gehen.

Es ist Samstag, das große Festivalgelände ist schon prallevoll gefüllt mit abertausenden Heavy-Metal-Fans in allen prachtvollen Formen und Farben: Da gibt es Ritter und Waldmenschen, Wikinger, Hobbits, Nietenträger, kleine Mädchen und Jungen, dicke Männer mit kurzen Hosen, elegante Damen mit interessanten Frisuren, ein paar beschwipste Halbstarke kicken Flaschen und Dosen. Auf der großen Bühne macht eine Band Krach und alles ist ganz wunderbar.

Der Zugang zum Backstagebereich ist schnell gefunden, die netten Ordner lassen uns anstandslos passieren! Geile Pässe! „Wo sind die Stars?“, rufen wir aufgeregt, und viele freundliche Männer und Frauen, die geschäftig und mit angenehm angeregter Anspannung ihrem Tagwerk nachgehen, rufen zurück: „Wartet einfach am Hoteleingang vor dem Catering-Zelt, da werden die Stars früher oder später vorbeilaufen.“

Backstage ist es schön. Wir kriegen lecker Essen und die Musik vom Festivalgelände ist kaum zu hören, das gefällt uns.

Wir beziehen Stellung am Hoteleingang vor dem Catering-Zelt. Viele Menschen laufen vorbei. 90 Prozent von ihnen sehen aus wie Heavy-Metal-Stars, nur dummerweise kennen wir niemanden. Es ist schwierig, Heavy-Metal-Stars zu paparazzen, wenn man nicht weiß, wie die aussehen. Doch halt! Da schreitet Karl Logan heran. Ich stoße Max einen Ellbogen in die Rippen und raune: „Guck mal.“ Karl Logan geht an mir vorbei, ich versuche ein unbefangenes Lächeln, er lächelt zurück! WAHHH!! Ihm folgen Scott Columbus und noch mehrere andere Menschen. „Manowar!“, entfährt es Max. Scott Columbus sagt: „Yes“. Ich bringe noch ein „cool“ zustande und Scott Columbus ruft freundlich zurück: „Cool! Cool! Cool!“

Wow! Wie schnell einem doch die Knie zittern vor Leuten, von denen man noch vor ein paar Wochen nicht das Geringste wusste …

Aber eigentlich sind wir ja auf der Suche nach Christopher Lee, doch der läuft nicht vorbei. Im Produktionsbüro erfahren wir, dass Herr Lee leider vor ein paar Stunden abgesagt hat. Mist! Dann muss jetzt Herr DeMaio, der Chef von Manowar – „The Kings of Metal“ – den Platz von Herrn Lee einnehmen, denn ohne ein duftes Star-Erlebnis werden wir hier nicht wieder weggehen!

An der Hotelrezeption fragen wir nach ihm. Die nette Dame rät uns, einfach mal mit dem Fahrstuhl in den zweiten Stock zu fahren, wo die Manowars ihren Privatbereich haben: „Dort werden schon genug Security-Männer stehen, das können Sie gar nicht verfehlen.“

Der Fahrstuhl schnurrt im zweiten Stock auf. Tatsächlich stehen dort mehrere freundliche Ordner, die uns erklären, dass wir mit unseren „Acces All Areas“-Pässen hier nicht weiter kommen. „Wie bitte?“, maulen wir, „Da steht doch drauf, dass wir überall hindürfen!“ Unser Jagdtrieb ist geweckt, und Joey DeMaio soll unsere Beute sein. Wir beschließen, einfach vor der Tür stehen zu bleiben, und sollte es Stunden dauern – früher oder später muss er ja herauskommen, da kennen wir nichts!!!

Nach zwei Minuten wird uns das schon langweilig. Aber just in dem Augenblick läuft glücklicherweise Herr Hinrich Stürken vorbei, der nette Deutschlandmanager von Manowar, der uns auch die Pässe besorgt hat. Er nimmt uns mit in Manowars Privatbereich …

Mir wird etwas mulmig zumute, denn was ich zuvor auf den Manowar-DVDs sah, erinnerte mich fatal an das, was sich ein braver Christenmensch unter Sodom und Gomorrha vorstellt. Auf den DVDs wird geflucht und gesoffen, nackte Weiber besorgen es sich unter dem Gejohle der Band und ihrer Roadies gegenseitig oder bekommen auch mal einen motherfucking Sektkorken zwischen die motherfucking Beine geschossen.

Am liebsten würde ich jetzt wieder rausgehen, doch Herr Stürken hat bereits ein Interview mit Joey DeMaio für uns ausgehandelt. Ich bekomme Angst. Wird Joey DeMaio uns „Motherfucker“ nennen, wird er auf Säuglingen herumkauen und mit einem Bierfass nachspülen, während er nebenbei den Satan anbetet, ein paar nackte Weiber bedient und frisch abgeschlagene Menschenköpfe an seinem Nietengürtel befestigt, bevor er uns mit einer Harley überrollt?

Und schon steht er vor uns – Joey DeMaio! Mit freundlichen Augen und sanfter Stimme nimmt er unsere Mineralwasserbestellung auf und bringt uns die Getränke selbst herbei. Mir fällt nicht sofort eine Frage ein, deshalb sage ich: „Sehen Sie mal, Herr DeMaio, dieses Nietenarmband habe ich mir extra für heute gekauft!“, und halte ihm mein Nietenarmband vor die Nase.

„Oh, that’s great!“, würdigt Joey mein Armband und dann fängt er an, uns zu erzählen: Dass die wenigsten wissen, dass er einen Doktortitel in Musikwissenschaften hat, dass er sogar zum Ritter von Malta geschlagen wurde, dass alle immer nur denken, er würde unentwegt auf Säuglingen herumkauen und mit einem Bierfass nachspülen, während er nebenbei den Satan anbetet, ein paar nackte Weiber bedient und frisch abgeschlagene Menschenköpfe an seinem Nietengürtel befestigt.

In Wirklichkeit sieht Joey viel besser aus als auf den DVDs. Er bietet uns sogar an, an seinen Haaren zu ziehen, um die Echtheit der schwarzen Mähne zu überprüfen, aber das trauen wir uns dann doch nicht!

Nebenbei streut Dr. DeMaio charmante Komplimente an uns unaufdringlich ins Gespräch ein, und wir sind total hin- und weggerissen von diesem kultivierten und berückenden Mann.

Nachdem wir uns schweren Herzens von Joey trennen mussten, fragt uns eine Hotelangestellte: „Der Joey ist schon arg charmant, oder?“ Das können wir nur bestätigen. „Wissen Sie, alle unsere Lehrmädchen schwärmen für ihn! Er begrüßt immer alle mit Namen, wir alle finden ihn toll!“

Max und ich finden Joey auch toll! CORINNA STEGEMANN

Das Interview mit Joey DeMaio wird Ende August im taz.mag erscheinen

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