Die große Angst vorm Stolpern

Beim CSU-Wahlkampfauftakt zeichnen Stoiber und Merkel ein düsteres Bild von der Lage des Landes, um den erwarteten Sieg nicht zu gefährden – und die Erwartungen für die Zeit danach zu dämpfen

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Die Union will Deutschland retten, und damit ein mögliches Scheitern nicht ganz so schmerzhaft wird, hatte der CSU-Parteichef Edmund Stoiber ein Geschenk für Angela Merkel dabei: einen blau-weißen Fahrradhelm. Die CSU zelebrierte am Samstag den Wahlkampfauftakt zur Bundestagswahl am 18. September – und es wurde klar, dass Merkel und Stoiber Angst vor dem Stolpern haben. „Die Wahl ist noch lange nicht gewonnen“, rief der den 600 Parteianhängern zu.

Der bayerische Parteigeneral Markus Söder hatte endlich einmal einen Arbeitsbereich entdeckt, der seinen Kompetenzen als ausgebildeter TV-Redakteur entsprach. In der stimmungsvoll ausstaffierten Versammlungshalle flimmerte eine Horrorshow über die Großbildschirme: übervolle Arbeitsämter, Industriebrachen und ein Potpourri aus dem Bodensatz der Inlandsmeldungen.

Rot-Grün hinterlasse fünf Millionen Arbeitslose, das schwächste Wirtschaftswachstum Europas und eine Rekordverschuldung, so dann auch Stoiber in seiner Rede. „Sieben Jahre Rot-Grün waren sieben magere Jahre für Deutschland, die Bilanz ist verheerend.“ Da schwingt die Angst mit, an der selbst gewählten Aufgabe zu scheitern. Aber auch die Linkspartei in Gestalt von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi bereitet der Union Sorgen: „Es soll sich niemand täuschen: SPD, Linkspartei und Grüne werden zusammengehen, wenn es rechnerisch reicht“, sagte Stoiber.

Der bayerische Ministerpräsident stellte klar, dass er auf der ganz anderen politischen Seite steht. Zwar sei Deutschland „heute ein offeneres Land als vor den 68ern“, aber es blieb offen, ob das freudig gemeint war. Denn Stoiber drosch auf die Homoehe ein und auf die rot-grüne Ausländerpolitik, er forderte „mehr Leistungsbereitschaft, mehr Fleiß und Disziplin“ und kündigte einen harten sicherheitspolitischen Kurs an. „Wir müssen uns gegen Gefahren wappnen. Wir werden das in ganz anderer Weise tun“, sagte Stoiber mit Blick auf die raschen Fahndungserfolge der Briten nach den Terroranschlägen mittels Videoüberwachung.

Stoiber fürs Herz, Angela Merkel fürs Hirn. „Wir brauchen Wachstum, wir brauchen Arbeit, wir brauchen Sicherheit“, forderte sie. Dazu müsse die soziale Marktwirtschaft wieder auf eine solide Basis gestellt werden. Dieser Weg werde hart und beschwerlich, „aber es gibt keine Alternative“. Es sei unumgänglich, die Mehrwertsteuer auf 18 Prozent zu erhöhen und Steuerfreiheiten abzubauen – etwa bei den Nachtzuschlägen. Merkel verglich die Zeit mit der nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals sei es um den Aufbau der Bundesrepublik gegangen, jetzt gehe es um den rechtzeitigen Umbau Deutschlands. „Deshalb ist diese Wahl eine Schicksalswahl.“

Eines wurde allerdings spätestens beim Absingen der Bayernhymne klar („Gott mit dir, du Land der Bayern“): Zumindest im Freistaat braucht die Union keinen Fahrradhelm. Egal ob die CSU auf 58 Prozent der Stimmen kommt wie 2002 oder diesmal auf zwei Drittel, die absolute Mehrheit ist sicher. „Liebe Frau Merkel“, rief Stoiber, „auf Bayern können Sie sich verlassen.“