„Keiner sieht dieselbe Leiche“

IMPROTHEATER Bei „Call A Corpse“ erfinden sich Schauspieler und Publikum ihren eigenen Toten

■ 27, studiert Transnationale Literaturen an der Uni Bremen, bildet mit Tobias Sailer das Improduo „die beiden“.

taz: Herr Büch, wer ist die Leiche, die Sie in ihrem Programm anrufen?

Das wissen wir selbst noch nicht. Die Idee ist, dass wir zusammen mit dem Publikum eine Leiche kennenlernen und den Raum, wo die Leiche liegt.

Überlegen Sie sich vorher etwas zu der Leiche?

Nein, wir wissen wirklich nichts. Wir erfahren nur den Namen, den sagt uns das Publikum. Was wir noch erfahren, sind Menschen und Situationen um die Person herum. Das heißt, wir lernen vielleicht die Mutter oder den Arbeitgeber oder die Geliebte kennen. Je nachdem, wer so anruft.

Wie funktioniert das mit dem Anrufen?

Irgendwann klingelt’s und dann spricht irgendjemand auf den Anrufbeantworter. Wer das ist, weiß niemand im Vorhinein. Also das Telefon klingelt, der Anrufbeantworter geht an und einer von uns fängt an zu sprechen: „Liebe Susi, ich wollte Dir noch etwas sagen.“ Und dann übernimmt der andere und spricht sozusagen den Spruch zu Ende.

Und welche Rolle spielt das Publikum?

Eine ganz wesentliche. Wir fangen immer wieder Gespräche mit dem Publikum an, zum Beispiel über den Raum, in dem die Leiche liegt. Und von da aus wird der Rest des Abends inspiriert.

Also hilft das Publikum dabei, die Identität der Leiche zu konstruieren.

Ja, genau. Jeder konstruiert so zusagen seine eigene Leiche. Niemand wird denselben Raum sehen, keiner sieht dieselbe Leiche. Was da in den Köpfen passiert, können und wollen wir gar nicht beeinflussen.  INTERVIEW: NAG

die beiden: „Call a Corpse“, Improtheater, Lila Eule, 20 Uhr. Eintritt 6 Euro, 4 Euro ermäßigt