Auf Ölfeldern

SOMMER IM MUSEUM (VIII) Das Deutsche Erdölmuseum im niedersächsischen Wietze erinnert an die Zeiten, als in der Südheide „schwarzes Gold“ zu Tage gefördert wurde – und das noch bis ins Jahr 1963

Warum nicht den Sommer nutzen, um aufzuspüren, was die Peripherie oder – gut versteckt – die eigene Stadt an Kultur zu bieten hat? Wir stellen in dieser Serie einige Museen, Gedenkorte und Initiativen vor, die zu besuchen sich lohnen könnte.

Wer auf den Ölberg steigt, sieht rundherum Wald. Nur die Geflügelmassenzucht, fast militärisch eingezäunt, lugt aus dem Grün – und ein 56 Meter hoher Bohrturm. Kaum vorstellbar, dass hier bei Wietze in der Südheide einst ein nach Öl stinkendes Industriegebiet war.

Nachgewiesen ist, dass schon seit 1652 in einzelnen „Teerkuhlen“ das einsickernde Erdöl als Satanspech oder Kohleausschwitzung, als Asphalt- oder Steinöl abgeschöpft wurde. Solche vorindustrielle Gewinnung war auch in anderen Gegenden üblich. Das Öl wurde dann als Wagenschmiere und zu Leuchtzwecken genutzt, aber auch zu Heilmitteln destilliert. Mit dem öligen Asphaltsand wurden auch Hamburger Gehwege befestigt – weshalb beim großen Brand 1842 sogar die Bürgersteige in Flammen standen.

Ab 1850 startete das Königreich Hannover ein Programm zur Rohstoff-Erkundung. Einer der Prospektoren war der Naturwissenschaftler Georg Christian Konrad Hunäus. Er ließ in der Wallmann’schen Teerkuhle in Wietze 1858 eine Bohrung niederbringen, da man nach damaligem Wissensstand erwartete, dass das Erdöl ein Hinweis auf tieferliegende Kohle sei. Kohle fand er keine, aber er ging in die Geschichte ein mit einer der ersten erdölfündigen Bohrung überhaupt. Auch wenn die Ausbeute in größerem Umfang erst später begann, wurde damit die Südheide das älteste und das ergiebigste Ölfeld Deutschlands.

Zwischen 1885 und 1918 brachten deutsche und ausländische Firmen hier fast 2.000 Bohrungen nieder: Mehr als die Hälfte der gesamten deutschen Förderung wurde damals in Wietze erpumpt. Besonders erstaunlich ist, dass das Erdöl hier später bergmännisch abgebaut wurde – unter Tage. Denn der begehrte Stoff lagert hier kaum unter Druck, sondern in Form von Ölsand in rund 300 Meter Tiefe.

Wie diese Arbeit war und dass sie keineswegs leicht war, zeigt ausführlich das Deutsche Erdölmuseum. Es mag die Vorstellung anregen, dass die Arbeitskleidung täglich auf Firmenkosten gewaschen wurde – denn so konnten im Monat zusätzlich 4,5 Tonnen Öl gewonnen werden. Ein kleines Stück eines engen, holzverstärkten Strebs wurde im Museum nachgebaut, ein Modell zeigt das unerwartete Gängesystem unter der idyllischen Landschaft an der Aller.

Jetzt wird auch klar, dass der etwa 50 Meter hohe begrünte Ölberg nichts anderes ist, als eine Abraumhalde dieses unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg begonnenen, in Deutschland einzigartigen Ölbergbaus.

1963 wurde alle Erdölförderung in der Gegend eingestellt, 1970 auf Teilen des historischen Ölfeldes das Museum gegründet, mit Maschinen an originaler Stelle und ergänzt um Exponate der neueren technischen Entwicklung. Heute zeigt es zudem in einer neuen Halle mit zahlreichen Modellen und Filmen, Geräten und Produkten eine allgemeine Einführung in Prospektion, Erschließung und Verarbeitung von Erdöl und Erdgas.

Wer weniger technisch interessiert ist und bei Erdöl so wie Heidedichter Hermann Löns in seiner Ballade „Der Bohrturm“ eher negative Assoziationen von „Schwarzem Tod“ hat, kann gleich in der Nähe im Ortsteil Wieckenberg etwas finden, was hier eigentlich auch nicht zu erwarten ist: die Stechinelli-Kapelle, die der herzogliche Amtmann Graf Francisco Capellini 1692 auf seinem Gutshof errichten ließ – eine katholische Kirche, getarnt als Bauernscheune mit vorgebautem Säulengang, innen aber im italienischen Barockstil überreich ausgestattet.  HAJO SCHIFF

Deutsches Erdölmuseum: Schwarzer Weg 7, Wietze. Geöffnet Januar bis Ende November, Di–So, 10–17 Uhr, Juni–August bis 18 Uhr, Juli + August auch montags