Der verschrumpelte Apfel von Oldenburg

FESTIVAL Auf einer Pressekonferenz stellte der Leiter des Internationalen Filmfest Oldenburg, das vom 12. bis 16. September stattfindet, das diesjährige Programm vor und zeigte den neuen Trailer

VON WILFRIED HIPPEN

Warum schwadroniert ein Schluckspecht in Oldenburg auf Englisch ? Im September wird für ein paar Tage in den Kneipen der Stadt mehr Amerikanisch als Plattdeutsch gesprochen werden und in den Kinos werden dann Originalversionen aus den USA oft sogar ohne Untertitel gezeigt. Da ist es nur konsequent, wenn der Trinker im neuen Trailer des Filmfest Oldenburg eben auf Englisch, allerdings mit einem deutlichen deutschen Akzent, dem Barkeeper etwas von den schönen kommenden Tage vorlallt: „It‘s not goddamn Wallstraße anymore!“ Ja, ein kleiner Kalauer ließ sich da auch unterbringen, bei dieser mit viel Schwarz und wenig Weiß gedrehten Hommage an Billy Wilders „Lost Weekend“. Selbstironisch wird da auch wieder mit dem Selbstverständnis des Filmfests gespielt, das der Festivallleiter Thorsten Neumann eben nicht auf einer Ebene mit den lokalen Filmfesten in Emden und Braunschweig, sondern mit den international renommierten Indie-Festivals Sundance und Slamdance sieht. Da er Humor hat, spielt er mit dieser Fallhöhe, und dies tut er alle Jahre wieder mit einem originellen und kunstvoll inszenierten Trailer. Der Diesjährige zählt zu den gelungenen (manchmal war der Witz so speziell, dass ihn nur wenige Eingeweihte verstanden). Er wird in den nächsten Wochen in etwa 50 deutschen Kinos gezeigt.

In Oldenburg selber ist das Festival nicht unumstritten. Und dabei könnte es seltsamerweise sogar schaden, dass der Oberbürgermeister Gerd Schwandner solch ein enthusiastischer Unterstützer der Veranstaltung ist. Es gibt in der Stadt viel Widerstand gegen das gelinde gesagt eigenwillige Oberhaupt der Stadt, und in dies zum Teil sehr polemisch und verbittert geführten Auseinandersetzungen wurde das Filmfest hineingezogen.

Dies führte soweit, dass Thorsten Neumann einen Prozess wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte gegen drei Kommunalpolitiker anstrengte, bei dem er im Juli einen Teilerfolg errang. Eine SPD-Ratfrau darf eine Aussage nicht mehr im Internet verbreiten, in der das unschöne Wort“Vetternwirtschaft“ auftaucht. Ob Thorsten Neumann klug beraten war, in dieser Sache vor Gericht zu gehen, ist allerdings fraglich. Seine Position in der Stadt wurde dadurch sicher nicht stärker, und so wurden die Zuschüsse der Stadt für das Festival um 27000 Euro gekürzt.

Bei einem Gesamtbudget von knapp unter 350000 Euro ist dies ein harter Schlag, denn schon in den letzten Jahren waren die Mittel gekürzt worden und das merkte man dem Filmfest auch an. Das Programm wurde dünner, eine Reihe mit Dokumentarfilmen fiel ganz weg und auch diesmal werden wieder eine Handvoll von Filmen weniger gezeigt. Zudem wird leider die immer sehr interessante Filmreije Tribute, bei der im letzten Jahr die Filme und Fotografien von Roger Fritz zu entdecken waren, eingespart werden.

Doch Thorsten Neumann ist ein gewitzter Festivalleiter und so machte seine Präsentation von Programmhöhepunkten auf einer Pressekonferenz am Dienstag wieder neugierig auf das Filmfest. Da sich über die Jahre ein großer Freundeskreis von amerikanischen unabhängigen Filmemachern gebildet hat, wird etwa in fast jedem Jahr der Veteran Seymour Cassel anreisen und einen Film vorstellen, in dem er mitgewirkt hat. Diesmal ist dies der Kriminalfilm „Booster“ von Mat Ruskin. Cassel wird auch den in diesem Jahr neu eingeführten und nach ihm benannten Darstellerpreis vorstellen und vergeben.

Ein anderer Freund von John Cassavetes, der im Jahr 2001 mit einem Tribute geehrt wurde, ist der kürzlich verstorbene Ben Gazzara. Über ihn hat Joseph Rezwin einen Dokumentarfilm gedreht, der in Oldenburg als Weltpremiere aufgeführt wird.

Direkt nach der Uraufführung beim Filmfestival in Venedig wird der neue Film von Takeshi Kitano „Outrage Beyond“ in Oldenburg zu sehen sein und die als Schauspielerin und Bondgirl (in „Goldeneye“) bekannte Famke Janssen zeigt mit „Bringing up Bobby“ ihr Debüt als Regisseurin, bei dem Milla Jovovich eine Trickbetrügerin spielt.

Seit einigen Jahren ist das Gefängnis von Oldenburg ein fester Spielort des Festivals, und in diesem Jahr werden dort nicht nur Filme gezeigt, sondern der amerikanische Sänger und Songwriter Butch Walker wird in der Tradition von Johnny Cash nicht nur die Dokumenation über sich präsentieren, sondern auch ein Konzert in der JVA geben.

Im letzten Jahr prangte auf den Postern des Festivals ein schöner runder, allerdings schon angebissener Apfel, der in einer nächtlichen Gosse liegt. Diesmal ist das Motiv ein verschrumpelter Apfel, der zwar wunderschön fotografiert, aber kaum noch genießbar ist. Die Metapher ist fast schon überdeutlich.