Nicht nur Freiheit

Bremer Studie räumt mit dem „Mythos Sabbatjahr“ auf: Dahinter stecken oft Sinnkrisen oder praktische Nöte

bremen epd ■ Nichts wie weg. Am besten mit einem Sabbatjahr raus aus dem Beruf. Wer von dem Arbeitszeitmodell der großen Jobpause hört, stellt sich gern Freizeit und Weltreisen vor. Doch die Bremer Sozialwissenschaftlerin Barbara Siemers räumt mit dem Mythos auf. Zwar spielt beim Ausstieg auf Zeit die Hoffnung auf neuen Schwung für den Job nach der Rückkehr eine wichtige Rolle. Oft aber sind die Beweggründe mehr Frust statt Lust, mehr Zwang statt Freiheit, hat die 42-Jährige in der bundesweit ersten Studie zum Sabbatjahr herausgefunden.

Das Sabbatjahr ist ursprünglich ein Begriff aus dem Alten Testament für das siebte Jahr, in dem die Arbeit ruhen soll. Das neuzeitliche System ist ähnlich einfach: In der Regel werden über Jahre Zeit und Geld für die Freistellung angespart. „Heute passen Betriebe mit solchen Modellen flexibler Arbeitszeiten den Personalbedarf an und halten qualifizierte Kräfte, die nach mehr Zeitautonomie streben“, so Siemers. „Und die Beschäftigten wollen raus aus Stress, Zeitnot und Überforderung.“

Für ihre Untersuchung hat sie 100 Sabbatical-Nehmer in Deutschland befragt, 31 davon in Tiefeninterviews. Regeneration oder berufliche Weiterbildung standen als Motive für den Absprung mit Rückfahrkarte obenan. Doch dahinter verbarg sich oft ein Notausstieg. Mal spielte die Gesundheit nicht mehr mit, mal gab es keine ausreichende Betreuung für das Kind, mal sollte eine längere Weiterbildung vor der beruflichen Sackgasse bewahren. „Sabbatzeit für wirklich selbstbestimmte eigene Projekte war die Ausnahme“, ergänzt Siemers.

Nicht selten musste der Wunsch gegen Widerstände von Vorgesetzten und Kollegen durchgesetzt werden. Dazu kamen erhebliche finanzielle Einbußen und die Angst, ersetzbar zu sein und nicht mehr an den alten Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Nicht zuletzt deshalb gibt es Sabbaticals im öffentlichen Dienst häufiger als in der freien Wirtschaft. „Sabbaticalpioniere benötigen eine Portion Mut, um ihre Freistellungswünsche trotz Unwägbarkeiten zu realisieren“, bilanziert Siemers.

Eine Befragung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit aus dem Jahr 2001 bestätigt das: Arbeitgeber reagieren demnach mehrheitlich skeptisch auf den Wunsch nach einem Sabbatjahr. Nur jeder fünfte befragte Personalverantwortliche glaubt, dass die Arbeitnehmer nach der Auszeit vom Job motivierter ans Werk gehen. 56 Prozent der befragten Personalchefs befürchten Integrationsprobleme bei der Rückkehr.

Die Interviewpartner von Siemers zogen trotz dieser Vorbehalte nach ihrem Sabbatjahr eine grundsätzlich positive Bilanz. Die Pause wirke dem beruflichen Verschleiß entgegen, sie schaffe Inspiration und Motivation, resümiert die Wissenschaftlerin, die jetzt als Unternehmensberaterin arbeitet. „Manche Teilnehmer planen schon das nächste Sabbatical.“ (Barbara Siemers: „Sabbaticals – Optionen der Lebensgestaltung jenseits des Berufsalltags“, Verlag Peter Lang, 322 Seiten, 56,50 Euro).