Grenzen zu in der EU

Trotz der Warnungen der EU-Kommission schotten sich die europäischen Nachbarn immer mehr voneinander ab – auch Deutschland

Polnische Beamte überwachen am Strand zwischen Ahlbeck und Swinoujscie (Swinemünde) auf Usedom die Grenze Foto: dpa

Aus Brüssel Eric Bonse

Europa macht die Grenzen dicht. Trotz dringender Appelle der EU-Kommission, nationale Alleingänge zu vermeiden und die überlebenswichtigen Warenströme nicht zu gefährden, schotten sich immer mehr EU-Staaten voneinander ab. Auch Flug- und Bahnverkehr werden zunehmend eingeschränkt – ab Montag um 6 bzw. 8 Uhr sogar in Deutschland.

Das größte EU-Land will die Grenzen zu Dänemark (um 6 Uhr), Frankreich, Österreich und der Schweiz (um 8 Uhr) schließen. Darauf hätten sich Bundesinnenminister Horst Seehofer, Gesundheitsminister Jens Spahn und Länder-Ministerpräsidenten verständigt, hieß es am Sonntagnachmittag in Berlin.

Es bestätigt sich so ein Trend, der sich am Wochenende in ganz Europa beobachten ließ. Aus Angst vor einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus und vor unkontrollierten Panikreaktionen igeln sich immer mehr EU-Länder ein.

Den Anfang hat Tschechien gemacht. Die Regierung in Prag erließ schon am Freitag ein radikales Abschottungsprogramm. Allen Ausländern wurde ohne Vorankündigung die Einreise untersagt. Die Slowakei wollte da offenbar nicht nachstehen. Auch sie machte die Grenzen dicht; nur für polnische Staatsbürger galt zunächst eine Ausnahme.

Doch die freundschaftliche Geste wurde nicht belohnt: Am Sonntag zog auch Polen nach. An insgesamt 58 polnischen Grenzübergängen zu Deutschland, Tschechien, der Slowakei und Litauen wurden Kontrollen eingeführt. Polen dürfen zwar noch in ihre Heimat zurückkehren, sie müssen aber nach der Einreise erst einmal für 14 Tage in Quarantäne.

Doch nicht nur Osteuropa schottet sich ab. So riet Belgien am Wochenende davon ab, Auslandsreisen anzutreten. Aus belgischer Sicht ist Nordrhein-Westfalen schon ein Hochrisikogebiet, auch Ostfrankreich gilt als riskant.

Die französische Regierung kündigte ihrerseits an, den internationalem Flug- und Bahnverkehr herunterzufahren. Der Langstreckenverkehr werde „schrittweise verringert“, sagte Umweltministerin Elisabeth Borne. Einen sofortigen Stopp solle es nicht geben, damit „jeder nach Hause zurückkehren“ könne. Ziel sei aber auf alle Fälle eine Reduzierung auf das Allernötigste.

Auch Österreich schränkt den Reiseverkehr ein. Ab Montag, 24 Uhr dürfen keine Linienflüge aus Frankreich, Spanien und der Schweiz in Österreich landen. Diese drei Länder haben höhere Ansteckungswerte als Österreich. Am Dienstag kommen die Niederlande, das Vereinigte Königreich, Russland und die Ukraine dazu. Iran, Italien und Südkorea gelten aus Wiener Sicht schon länger als No-go-Zonen.

Für die EU-Kommission sind die Grenzschließungen ein Desaster. Behördenchefin Ursula von der Leyen hatte am Samstag eine Krisensitzung einberufen und vor nationalen Alleingängen gewarnt. Es gehe darum, Menschen zu schützen und den Warentransport aufrechtzuerhalten, erklärte sie. Nun ist sie gescheitert – auch an Deutschland.

Dabei hatte sich Bundesinnenminister Seehofer zunächst gegen Grenzschließungen ausgeschlossen. Gemeinsam mit der französischen Regierung wolle er sich um eine europäische Lösung bemühen, sagte er. Auch Frankreichs Staatschef Macron forderte, die Grenzen im Schengen-Raum offen zu halten. Doch auch er konnte sich nicht durchsetzen. Jeder denkt nur noch an sich.