Die Lese-Zukunft: 1-plus-4-plus-2

Kultursenator Kastendiek will der Kulturdeputation den Erhalt der Stadtteilbibliotheken Osterholz und Lesum vorschlagen: Allerdings mit verkürzten Öffnungszeiten. In der CDU wird unterdessen auch über Privatisierung nachgedacht

Bremen taz ■ Nun ist immerhin soviel klar: Nach wochenlanger Diskussion um den Erhalt der Stadtteilbibliotheken Osterholz und Lesum wird Kultursenator Jörg Kastendiek (CDU) auf der nächsten Sitzung der Kulturdeputation im September einen 1-plus-4-plus-2-Vorschlag vorlegen. Diese Zahlenarithmetik bedeutet, dass neben der Zentralbibliothek und den vier Bezirksbibliotheken auch die beiden Standorte in Osterholz und Lesum erhalten bleiben sollen. Letzterer allerdings mit reduzierten Öffnungszeiten.

Damit folgt Kastendiek, der dem Standort Lesum zumindest qua Wohnort verbunden ist, zum einen massiven Protesten aus der Bevölkerung – und zum anderen der erklärten SPD-Linie. Kultursprecherin Carmen Emigholz (SPD) hatte eine Schließung von Osterholz und Lesum strikt ausgeschlossen. „Wir müssen in diesen Zeiten einen Schwerpunkt auf Leseförderung setzen“, sagte Emigholz mit Verweis auf das schlechte Abschneiden Bremens beim PISA-Test. „Es geht nicht, dass sich der Staat aus der Verantwortung zurückzieht.“

Einen ganz anderen Vorschlag hat dagegen CDU-Kultursprecher Wolfgang Schrörs vorgelegt: Er möchte die Standorte Osterholz und Lesum privatisieren – und damit das bereits vor zehn Jahren unter der grünen Kultursenatorin Helga Trüpel beschlossene 1-plus-4-Konzept umsetzen, das neben der Zentralbibliothek lediglich vier Zweigstellen vorsieht. „Die Stadtbibliothek hat 2003 und 2004 einen Verlust von rund 1,2 Millionen Euro gemacht“, so Schrörs. „Da muss man angesichts eines Zuschusses von 94 Prozent irgendwann sagen: Das geht nicht mehr.“

Stattdessen also Privatisierung. Für Schrörs ist das in Horn praktizierte Modell vorbildlich: Dort hat sich 1997 nach der Schließung der Stadtteilbibliothek ein Förderverein gegründet, um die Lücke zu schließen. Das Personal besteht ausschließlich aus ehrenamtlichen Kräften, die Kosten werden über Mitgliedsbeiträge und Spenden gedeckt. An öffentlichen Geldern bekommt der Verein lediglich 1.500 Euro vom örtlichen Beirat. Doch auch für Christine Müller, Vorsitzende des Fördervereins, ist die Privatisierung von Bibliotheken keinesfalls modellhaft: „Dass das System für Bremen positiv ist, bezweifle ich.“ So sei die Suche nach Ehrenamtlichen äußerst mühsam.

Diese Ansicht hat sich wohl auch unter den Bremer Kulturpolitikern durchgesetzt. So hat die Stadtbibliothek mit einem gewissen Optimismus die Mittel für die Standorte Lesum und Osterholz bereits in ihren Wirtschaftsplan eingebracht. Gleiches gilt für die vom Betriebsausschuss ausgearbeiteten Sparmaßnahmen. Angesichts des enormen Defizits hat Senator Kastendiek in Absprache mit der Leiterin der Stadtbibliothek, Barbara Lison, die Einsetzung eines kaufmännischen Controllers vereinbart. Der soll ab Anfang nächsten Jahres als Teil der Betriebsleitung für den kaufmännischen Bereich Sorge tragen. Die inhaltliche Arbeit der Bibliothek steht dagegen nicht in der Kritik. Darauf verweist unter anderem der zweite Platz in der Kategorie Kundenorientierung, den die Bertelsmann-Stiftung der Bremer Bibliothek in einem bundesweiten Vergleich zusprach. „Sie macht offensichtlich wirklich gute Arbeit“, lobt auch Schroers.

Im Kulturressort bleibt man derweil trotz oder gerade angesichts des Kastendiek‘schen Vorschlags vorsichtig: „Endgültig entscheidet die Kulturdeputation“, so Ressortsprecher Thorsten Müller. Und: „Was in zehn Jahren ist, ist völlig offen“. F. Gräff