„Ärzte sind nicht die einzigen Leistungsträger“

Die Charité-Ärzte fordern 30 Prozent mehr Lohn. Das ist unangebracht, sagt die Gewerkschafterin Christa Hecht. Alle Berufsgruppen müssten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für Beschäftigungsgarantien zurückstecken

taz: Frau Hecht, am Freitag wollen die Ärzte der Charité streiken. Der Ärzteverband Marburger Bund spricht von einem „staatlichen Lohnraub“, der den Ärzten drohe. Sind die Proteste berechtigt?

Christa Hecht: Man muss zwei Dinge unterscheiden. Zum einen will die Charité mit uns eine Vereinbarung für alle Beschäftigten abschließen, die in der wirtschaftlich schwierigen Situation des Klinikums auf Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich herausläuft. Zum anderen – das ist ja das Interessante – will die Charité die Ärzte da aber gar nicht miteinbeziehen. Sie sind also davon nicht betroffen.

Worüber regen sich die Ärzte dann auf?

Die Ärzte wollen eine 30-prozentige Gehaltserhöhung haben. Das geht natürlich nicht mit uns. Wir schließen keinen Tarifvertrag ab, der allen anderen schlechtere Bedingungen einbringt – und zur gleichen Zeit werden die Ärzte belohnt. Die Spannungen, die daraus resultierten, würden auch die Ärzte in den Kliniken nicht aushalten. Bei der Charité wird von allen Beschäftigten ein Beitrag gefordert. Bei den Ärzten kommt es auf Details an, etwa was mit Weihnachts- und Urlaubsgeld passiert.

Haben die Ärzte Ihrer Meinung nach gar keinen Grund, sich über eine fehlende leistungsgerechte Bezahlung zu beschweren?

Klar, auch bei den Ärzten gibt es mehrere Problempunkte, besonders bei den Assistenzärzten. Viele erhalten nur zeitlich befristete Verträge. Hier muss man aushandeln, wie viele Zeitverträge das sein dürfen. Ver.di kämpft seit Jahren für so wenig zeitliche Befristung wie irgend nötig. Sicherlich ist es auch so, dass Assistenzärzte ausgenutzt werden. Weil sie abhängig von der Beurteilung durch Chefärzte sind, werden sie zum Teil zu unbezahlten Überstunden gezwungen. Hier muss etwas getan werden. Aber zu glauben, sie seien die einzigen Leistungsträger in den Kliniken, die eine Gehaltserhöhung verdienen, ist borniert.

Zumindest haben Ärzte im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen an der Charité eine bessere Verhandlungsposition, weil ihre Jobs sicher sind.

Die Ärzte meinen immer, dass sie von betriebsbedingten Kündigungen nicht betroffen seien. Zwar ist das nicht ihr vorrangiges Problem. Aber wenn man sieht, was im Gesundheitswesen passiert, sind sie natürlich auch betroffen. Es werden überall Krankenhäuser geschlossen, Betten abgebaut und Liegezeiten verkürzt. Das wirkt sich auch aufs Personal aus.

Was also ist Ihre Losung bei den Tarifverhandlungen?

Es geht in der Charité darum, betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern. Was dafür an Verzicht von den Beschäftigten zu erbringen ist, muss ausgewogen auf alle Beschäftigten verteilt werden. An diesen Details sitzen wir gerade. Sie werden ab nächster Woche mit der Charité verhandelt.

Im vergangenen Mai hat Ver.di die Gespräche mit der Charité platzen lassen. Sind die Fronten nun aufgeweicht?

Wir können jetzt das neue Tarifwerk, also den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, übernehmen. Hier ist uns die Charité entgegengekommen. Damit schließen wir wieder zu den Beschäftigten anderer Unikliniken in Deutschland auf, die den Tarifabschluss von 2003 noch mitgemacht haben. Berlin ist ja damals aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten, das Personal der Charité befindet sich seitdem in einem tariflosen Zustand.

Wie groß sind die Chancen, dass es zu einem erfolgreichen Abschluss kommt?

Die letzten Gespräche mit dem Vorstand der Charité fanden in einer sehr sachlichen und guten Atmosphäre statt. Ich bin also zuversichtlich.

INTERVIEW: TINA HÜTTL