Friedhof als Weltkulturerbe

Die Jüdische Gemeinde will den immer weiter verfallenden Jüdischen Friedhof in Weißensee, den größten Europas, in die Liste des Welterbes aufnehmen lassen. Wowereit soll die Idee gut finden

von PHILIPP GESSLER

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin will den Jüdischen Friedhof in Weißensee zum Weltkulturerbe erklären lassen. Der flächenmäßig größte jüdische Friedhof Europas liege ihm „seit langem am Herzen“, sagte der Vorsitzende der Gemeinde, Albert Meyer, der taz. Die über 40 Hektar große Begräbnisstätte sei als „Friedhof des nicht mehr vorhandenen deutschen Judentums“ von herausragender (kultur)geschichtlicher Bedeutung.

Meyer kündigte an, voraussichtlich Ende des Monats das Vorhaben mit ersten Anfragen bei der Unesco in Paris anschieben zu wollen. Sollte er mit dem Antrag nicht durchdringen, werde er jedenfalls versuchen, stärker die Verantwortung von Bund und Land für den Friedhof in Weißensee als ein „nationales deutsches Kulturdenkmal“ zu stärken. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe bereits seine Unterstützung für diese Idee signalisiert. Nur wegen der angekündigten Bundestagsneuwahlen hätten Wowereit und er zunächst von der Idee Abstand genommen, Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in gleichlautenden Briefen um Mithilfe zu bitten.

Von den zehntausenden Grabstellen auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee verfallen viele oder sind schon überwuchert, da nur für einen Bruchteil Pflegeverträge bestehen. Meyer zufolge wird allein die Rekonstruktion der aufwändigen und kunstgeschichtlich bedeutenden Erbbegräbnisse auf etwa 20 Millionen Euro geschätzt. Der Friedhof, der noch während der Nazizeit in Betrieb war, spiegelt die letzten Jahrzehnte des stark assimilierten und meist liberalen deutschen Judentums bis zu dessen fast vollständiger Vernichtung durch den Holocaust.

Meyer sagte, gerade für Berlin sei die jüdische Bevölkerungsgruppe im Kaiserreich und der Weimarer Republik von herausragender Bedeutung gewesen. Dennoch sei der größte jüdische Friedhof der Stadt den Berlinerinnen und Berlinern meist „nicht mehr ein Begriff“. Mit dem geplanten Antrag bei der Unesco wolle er das Bewusstsein der Berliner für dieses reiche Erbe stärken. Er verwies allerdings darauf, dass die Stadt die Gemeinde schon jetzt beim Erhalt des Friedhofs „hervorragend unterstützt“, nicht zuletzt durch etwa 80 Ein-Euro-Jobber zur Pflege der weitläufigen Anlage.

In einer ersten Reaktion wertete Hagen Philipp Wolf, ein Sprecher von Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos), Meyers Initiative als „einen von vielen interessanten Vorschlägen“ für das Weltkulturerbe in Deutschland. Er erinnerte daran, dass diese Vorschläge jedoch zunächst von den jeweiligen Bundesländern geprüft würden. Allerdings unterstütze man von Bundesseite die Vorschläge, die aus den Ländern kämen.

Der Sprecher der Kulturverwaltung, Torsten Wöhlert, betonte, der Friedhof sei eine Kulturstätte mit einer Bedeutung weit über Berlin hinaus. Das zeige sich auch darin, dass sich neben der Gemeinde auch Land und Bund an dessen Erhalt beteiligten. In der Region gehören bisher nur die Museumsinsel sowie die preußische Schlösser- und Parklandschaft von Potsdam und Berlin zum Weltkulturerbe.