Grüne stufen sich als „wählbar“ ein

Joschka Fischers Nochregierungspartei eröffnet ihre Berliner Wahlkampfzentrale – ein Klohäuschen namens „Wählbar“. Grüne verteilen Glückskekse und bekämpfen die Union mit Anti-Merkel-Kondomen. Die Botschaft: Grüne haben Programm für alle

AUS BERLIN ANNA LEHMANN

Die Kür des Wahlkampfes hat Rot-Grün schon verloren. Die CDU gibt offiziell Wahlkampfshirts aus, auf denen Angela Merkel im Stile Che Guevaras erscheint. Die SPD dagegen reimt hausbacken gegen die drohende Unionsmehrheit an: „Merkelsteuer, das wird teuer“. Auch die Grünen haben gestern demonstriert, dass ihnen nicht nur in der Politik die Ideen ausgegangen sind: „Wählbar“ heißt tatsächlich ihr Wahlkampflokal in Berlin, mit dem sie Wähler gewinnen wollen. Spielt auf Hauptstadtlokale wie die „Sonderbar“ oder die „Bar Celona“ an, klingt aber so: Man kann uns wählen – wenn man genug getrunken hat.

Die „Wählbar“, eine Leichtmetallbox, einem komfortablen Klohäuschen nicht unähnlich, steht in unmittelbarer Nachbarschaft zahlreicher Bars in der Oranienburger Straße, des Zentrums der Berliner Touristenszene. Täglich pilgern tausende Berliner und Wahl-Berliner vorbei. „Wir werden einen Wahlkampf mit Diskussionen und Inhalten führen“, verheißt Parteichef Reinhard Bütikofer zur Eröffnung der „Wählbar“. Ein Programmpunkt ist – ganz in der Tradition der Gründungsjahre – ein 48stündiger Redemarathon. „Wir wollen zeigen, was die Grünen alles zu sagen haben“, sagt Wahlkampfmanager Fritz Kuhn. Als er schließlich die Seiten der quadratischen „Wählbar“ ausklappt, befindet sich darin – viel Luft. Abgesehen von einem Metallregal samt Sonnenblume ist die Wahlkampfwunderbox der Grünen leer. Sonderbar. Welche Botschaft wollen die Grünen damit transportieren? Dass sie offen sind für alles und alle? Dass sie den politische Gegner in eine Falle locken werden?

Auch der Schlachtruf – „Der Sommer wird grün“ – verrät eher ein vergleichsweise schmales Budget als gute Ideen. 3,8 Millionen Euro planen die Grünen für den Wahlkampf ein, den Strategen der CDU stehen 20 Millionen Euro zur Verfügung.

Diese finanzielle Übermacht hindert die Grünen nicht daran, der Union den Wahlkampf anzusagen. Sie sei der Hauptgegner. Angriffslustig spießt Bütikofer die „unbalancierte Politik“ von CSU und CDU auf. Ob bei Bürgerrechten oder in der Energiepolitik – „die CDU in ihrer Einseitigkeit verschenkt Chancen für unser Land“.

Die von Bütikofer geforderte „ausbalancierte Politik“ spiegelt sich im Wahlprogramm der Grünen wider. Es ist – gemäß des Arbeitstitels – eines für alle. Für die grüne Basis steht drin, dass der Anteil erneuerbarer Energien in 15 Jahren bei 25 Prozent liegen soll. Linken WählerInnen versprechen die Grünen eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozent. Ostdeutsche, die nicht an die Linkspartei verloren gehen sollen, werden mit Korrekturen an Hartz IV geködert. Die Senkung der Lohnnebenkosten wird gleich im ersten Kapitel gefordert. Das geht vor allem an die Adresse der Unternehmer. Auf teure Wahlgeschenke wie ein vorgeschlagenes 20-Milliarden-Investitionsprogramm haben die Grünen dagegen verzichtet.

Potenzielle Wähler dürfen sich dafür über Glückskekse („Zum Glück gibt es Grün“), Kondome („Merkel verhüten“) und Feuerzeuge („Frauen haben Feuer“) freuen.

Die heiße Phase des Wahlkampfes bestreitet bei den Grünen allerdings ein Mann: Spitzenkandidat Joschka Fischer wird vom 8. August bis zum 16. September 80 Auftritte absolvieren. Das wird gewiss keine Skandaltour. Denn die Grünen wollen keine Klientelpolitik machen, beruhigte die Parteivorsitzende Claudia Roth bereits zur Vorstellung des Wahlprogrammes. Nicht Luxus, nicht Nische wolle man sein. Dazu passt die irritierende Botschaft – wählbar. Man kann die Grünen also wählen. Muss man aber nicht.