HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER: Im Wust der Zeichen
Sie hat eine Flasche Wasser dabei. Mein Blick schweift durch den Klassenraum – nein, keine andere von den Fastenden hat eine Flasche Wasser dabei. Es stimmt etwas nicht. „Ist er vorbei?“, frage ich.
„Nein. Sie hat ihre Tage. Sie trägt auch kein Kopftuch.“ Und während ich noch darüber nachdenke, wie so eine Flasche Wasser und offenes Haar zu einem unmissverständlichen Signal werden können, sagt eine Frau ohne Kopftuch: „Eine gute Muselmanin muss kein Kopftuch tragen.“ Darauf erwidert eine andere Frau mit Kopftuch: „Es steht im Koran.“ – und zitiert die betreffende Sure.
„Der Koran ist ein Buch, ein Zeitdokument, eine Muslima muss nicht alles machen, was darin steht!“ Alle im Raum sprechen. Alles im Raum spricht: die Wasserflaschen, die Kopftücher, die Ausschnitte, die engen Hosen. Die fehlenden engen Hosen, das Parfüm. „Man kann es mit seinem Herzen entscheiden“, sagt die erste Frau, „man muss es nicht tun.“ – „Aber es steht da, wenn du ein guter Muslim sein willst, trägst du ein Kopftuch.“
Nach einer kurzen Weile spricht niemand mehr. Schlussendlich einigt man sich – für heute und hier – auf ein Punktesystem. Das Kopftuch ist ein Pluspunkt. Nichts weiter. Die Frauen – sowohl mit als auch ohne – behalten ruhige Gesichter. Sie kennen das Punktesystem wohl schon.
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