Flache Bälle in Frankfurt

Die Bundesliga vor dem Start (V), heute: Eintracht Frankfurt. Bei der ehedem launischen Diva scheint Seriosität eingekehrt zu sein. Nun kommt es darauf an, wie defensiv Trainer Funkel spielen lässt

AUS FRANKFURT/MAINTOBIAS SCHÄCHTER

Die beiden Männer winken gleich mal ab. „Hallt de Balle flach, Mann“, ruft der eine, während der andere zu bedenken gibt: „Aus de Wolge sin’mer schon oft genug g’fall.“ Der Brasilianer Chris hatte bei der traditionellen Saisoneröffnung als einziger Spieler der Frankfurter Eintracht nicht nur brav vom Klassenerhalt als dem Saisonziel gesprochen, sondern ebenso verwegen wie öffentlich davon geträumt, „vielleicht sogar an einem Uefa-Cup-Platz schnuppern zu können“.

Derartige Vermessenheit kann im Angesicht von 10.000 Fußballfans schnell zu brachialen Beifallsstürmen führen, zumal in Frankfurt; doch bei seinem Alleingang prasselten dem wortoffensiven Defensivspieler nur höflicher Beifall und herzliche Warnungen entgegen. Es ist kaum zu glauben: Die launische Diva vom Main hat ein Rendezvous mit der Realität. Zu oft ist der Adler in den letzten Jahren aus dem Wolkenkuckucksheim gestürzt. Im Umfeld des Bundesligaaufsteigers scheint die Hybris nun einem gesunden Optimismus gewichen zu sein – und damit dem Glauben, sich nach dem dritten Aufstieg in den letzten neun Jahren „Schritt für Schritt in Deutschlands Eliteliga zu etablieren“, wie Eintracht-Boss Heribert Bruchhagen mantramäßig formuliert.

Seit Bruchhagen in Frankfurt amtiert, ist Seriosität kein Fremdwort mehr in der Führungsetage des Bundesligagründungsmitglieds. Erstmals seit Jahren gab es die Lizenz ohne Auflagen. Der Etat konnte gegenüber dem letzten Erstligabudget von 2003 um 13 Millionen auf 37 Millionen Euro gesteigert werden. Als Faustpfand für eine rosige Zukunft gilt für Bruchhagen das ehemalige Waldstadion, das jetzt „Commerzbank-Arena“ heißt. 50.300 Zuschauer finden bei einem Bundesligaspiel in der knapp 190 Millionen Euro teuren WM-Spielstätte Platz. Werden alle Logen- und Business-Plätze verkauft, bedeutet allein dies eine Einnahme von knapp 16 Millionen Euro, die der Verein allerdings mit Vermarkter „Sportvive“ (52 Prozent) und der Stadt teilen muss. Die Zeiten, in denen windige Finanzhasardeure den Klub fast in den Ruin getrieben haben, scheinen vorbei. Und dennoch fuhr Bruchhagen bei der sportlichen Verstärkung der jungen Aufstiegsmannschaft ein „gewisses“ Risiko.

Ablösefrei kamen nur Abwehrspieler Marco Rehmer von Hertha BSC Berlin, Offensivkraft Francisco Copado aus Unterhaching und Stürmer Dominik Stroh-Engel vom Oberligisten SC Waldgirmes. Ansonsten griff man teilweise tief in die Tasche. Von den Neuen werden am Sonntag zum Saisonstart gegen Leverkusen neben Rehmer vermutlich die beiden Schweizer Nationalspieler Benjamin Huggel (28) im defensiven Mittelfeld sowie Christoph Spycher (27) als links verteidigender Viererkettler zur Anfangsformation gehören. Spycher kam für 300.000 Euro von den Grasshoppers aus Zürich, während Huggel für 550.000 vom FC Basel losgeeist wurde. Ebenfalls in der ersten Elf stehen werden wohl der vom VfL Bochum für eine halbe Million Euro zurückgekehrte Defensivmann Christoph Preuß (24) und die bereits in der letzten Saison ausgeliehenen und nun fest gebundenen Offensivkräfte Jermaine Jones (23) (ablösefrei aus Leverkusen) und Alexander Meier (für 650.000 Euro vom HSV).

Dass die Hoffnungen auf einen möglichst frühzeitig gesicherten Klassenerhalt durchaus realistisch sind, unterstreicht auch die jüngste Verpflichtung von Ioannis Amanatidis. Dieser flüchtete vor einem Jahr vor der schnöden Zweitligarealität mit der Eintracht zum 1.FC Kaiserslautern – und kam nun nach einem „wenig charmanten“ (Bruchhagen) Wechselpoker wieder für 1,5 Millionen aus der Pfalz zurück. „Durch die Neuzugänge sind wir einen Tick erfahrener geworden“, glaubt Trainer Friedhelm Funkel, der zu jedem Anlass den großen Teamgeist seiner Mannschaft lobt. Zusammengeschweißt habe die Gruppe vor allem die atemberaubende Aufholjagd in der vergangenen Rückrunde nach einer ziemlich vermaledeiten Hinserie.

Seltsame Eintracht: Ausgerechnet in dem Jahr, in dem sich der Uefa-Pokal-Sieg des Klubs zum 25. Mal jährt, feiert eine Stadt, die sich selbst den Namen „Mainhattan“ gegeben hat und nach ihrem Selbstverständnis in einem Atemzug mit London oder Barcelona genannt werden will, einen Trainer aus Neuss, der von seinen Spielern vor allem „immer das Letzte zu geben“ fordert.

Funkel, der vor einem Jahr nur verpflichtet wurde, weil Ralf Rangnick absagte, ist ein Aufstiegsmacher (FAS). Fünf Aufstiege bedeuten Rekord in Deutschland. Kritik brachte Funkel aber auf all seinen Stationen im Oberhaus sein Hang ein, den Erfolg alleine in der Defensive zu suchen. „Wir müssen viel weniger Fehler als in der zweiten Liga machen“, droht der 51-Jährige auch jetzt schon mal vorbeugend. In der abgelaufenen Saison war die Eintracht zwar mit 65 Toren die treffsicherste Mannschaft, gegen starke Gegner aber wie beispielsweise die Kölner samt ihrem stürmenden Karnevalsprinzen stellte Funkel, alle Schönheitspreise ignorierend, auf die gute, alte Manndeckung um.

Ob dies in der Bundesliga öfter drohe, fragten jüngst prompt die Redakteure der Frankfurter Rundschau in einem Interview. „Ab und zu schon“, gab Funkel ehrlich zu und ließ wissen, er könne damit leben, wenn dann geschrieben werde: „Der Funkel lässt spielen wie zu Zeiten von Willi Schulz.“ Ob damit die Eintracht-Fans auf Dauer leben können, ist allerdings eine mindestens ebenso spannende Frage.